Der Bundestag hat am 10. Juni 2021 das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt verabschiedet. Unternehmensrecht Aktuell hat RA Christian Solmecke, Partner der Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke, zum Gesetz befragt.
UA: Der Gesetzesbegründung lassen sich zwei primäre Stoßrichtungen entnehmen, nämlich zum einen der Schutz der Verbraucher durch Informationspflichten, zum anderen der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Rechtsanwälten bei geringen Streitwerten. Zunächst einmal zum Zweiten Punkt: wie attraktiv ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars und einer Prozessfinanzierung aus Sicht eines Anwaltes? Stellt diese Freigabe eine effektive Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit dar?
Die bisher strikten Verbotsvorschriften bezüglich einer Erfolgshonorarvereinbarung sollten vornehmlich die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte schützen. Diese sollten durch keine finanzielle Anreize gefährdet werden. Und genau dort liegt auch die Attraktivität eines solchen Honorars. Schließlich stellt dieses eine Motivation für den Anwalt dar. Da diese Erfolgshonorare bisher den Legal-Tech- und Inkassounternehmen vorbehalten waren – ebenso wie die Prozessfinanzierung – schafft die Freigabe grundsätzlich schon eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Rechtsanwälte.
Die Vereinbarung von Erfolgshonoraren war Anwälten bisher nur in Ausnahmefällen möglich. Die gängige Begründung ist die Stellung des Anwaltes als unabhängigem Organ der Rechtspflege. Was bedeutet das konkret? Welchen dem entgegenstehenden Werten verpflichtet man sich als Anwalt, und inwiefern lässt sich dann wiederum eine Abweichung rechtfertigen?
Rechtsanwälte sind ein Organ der Rechtspflege, weswegen sie grundsätzlich unabhängig von jeglichen finanziellen und sonstigen Anreizen arbeiten sollen. Ein Erfolgshonorar schafft eine finanzielle Motivation, die möglicherweise in einigen Fällen diese Unabhängigkeit kontakariert. Auf der anderen Seite sieht die Realität – gerade in den Massenverfahren wie z.B. beim Dieselskandal – so aus, dass etliche Anwaltskanzleien längst auf Erfolgsbasis arbeiten. Da ihnen das aktuell nicht erlaubt ist, gründen sie Prozessfinanzierer, die ihnen solche Modelle erlauben. Ich persönlich finde es schade, dass das aktuelle Gesetz diese aktuell gelebte Wirklichkeit außer Acht lässt und Anwälten unmittelbar Erfolgshonorare nur bis zu 2000 € ermöglicht.
Glauben Sie, dass Erfolgshonorare in Zukunft einen signifikanten Teil der Mandate ausmachen werden, und dass die Hemmschwelle zur Konsultation eines Anwaltes merklich sinken wird?
Legal-Tech-Unternehmen erleben seit einigen Jahren einen Boom, was vor allem an ihrer Arbeitsweise liegt. So stützen sie ihre Tätigkeit rechtlich auf einfache Inkassolizenzen, unter denen sie teils umfangreiche Rechtsdienstleistungen anbieten. Sie dürfen zudem Prozesse finanzieren und Erfolgshonorare vereinbaren, was für viele rechtssuchende Menschen einen großen Anreiz darstellt. Und tatsächlich denke ich, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Das heißt aber nicht, dass weniger Menschen einen Anwalt konsultieren. Schließlich sind das oftmals zwei vollkommen verschiedene Tätigkeitsfelder. Meist konzentrieren sich die LegalTech Companies auf Felder – wie zB die Erstattung bei Flugverspätumg – die sich für den normalen Anwalt kaum lohnen. Sie schaffen damit einen Zugang zum Recht, den es so in der Praxis bislang nie gab. In weiten Teilen ist daher eine Koexistenz von LegalTech Unternehmen und klassischer Anwaltschaft unproblematisch.
Stichwort Hemmschwelle: standen Rechtsanwälte und gewerbliche Inkassodienstleister jemals in direkter Konkurrenz, oder bearbeiten letztere nicht primär die Fälle, für die ohnehin die wenigsten Verbraucher einen Anwalt eingeschaltet hätten?
Vermehrt berichten die Medien von einer Konkurrenz zwischen Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten. Ich bin allerdings anderer Meinung. So werden jene Inkassodienstleister-Unternehmen oftmals sowieso in einem für Rechtsanwälte eher unattraktiven Bereich tätig. Natürlich sind auch da gemeinsame Schnittstellen auszumachen, jedoch ist das auch zwischen anderen Berufsgruppen der Fall. Der Vorteil der Legal-Tech-Unternehmen besteht meist darin, dass diese aufgrund ihrer Spezialisierung etliche Verfahren weitgehend automatisiert durchführen können und bündeln.
In der Gesetzesbegründung wird betont, dass an Verbraucher gerichtete Inkassodienstleistungen möglichst nicht beschränkt werden sollen, da sie sich als äußerst verbraucherfreundliche Alternative bewährt haben. Dennoch werden eine Reihe neuer Informations- und Rechenschaftspflichten, auch gegenüber der Aufsichtsbehörde begründet. Gab es in Sachen Transparenz hier Defizite oder Gefahren?
Eine Reform und somit weitreichendere Transparenz lässt nicht immer direkt auf vorherige Defizite oder Gefahren schließen. Vielmehr stärken Legal-Tech-Unternehmen mit ihren Angeboren sogar den Verbraucherschutz. Es ist aber auch sinnvoll, dass derjenige, der massenhaft gleichförmige Rechtsdienstleistungen anbietet durchsichtig und transparent ist. Auch das ist Teil des Verbraucherschutzes. Insofern finde ich die aktuellen Transparenzpflichten sinnvoll und konsequent.
Welche Mehrbelastung wird dies für die Inkassodienstleister in der Praxis darstellen? Wird die Gründung von Inkassounternehmen merklich schwieriger werden?
Tatsächlich schränkt das Gesetz die Möglichkeiten der Inkassodienstleister ein. So erweiterte der Gesetzgeber den Inkassobegriff des § 2 Abs. 2 RDG um die Passage: „einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung“. Damit soll klargestellt werden, was vom Begriff der Inkassodienstleistung erfasst ist: zum einen die Prüfung der Berechtigung der Forderung, zum anderen die Beratung des Auftraggebers vom Begriff der Inkassodienstleistung; dies allerdings nur solange und soweit sie sich auf die Einziehung einer konkreten Forderung beziehen. Darüber hinaus macht die Ergänzung deutlich, dass weitergehende Tätigkeiten, auch wenn sie in einem gewissen inhaltlichen Zusammenhang mit einer Forderungseinziehung stehen, nicht mehr unter den Begriff der Inkassodienstleistung zu fassen sind.
Abschließend: wird das Gesetz den gesteckten Zielen gerecht, oder hätten Sie etwas signifikant anders ausgestaltet?
Das Hauptziel war eine nahezu vollständige Gleichstellung von Rechtsdienstleistern und Rechtsanwälten. Aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweise und der andersartigen Tätigkeitsfelder, halte ich dieses Vorhaben für gewagt. Kein Wunder, dass das neue Gesetz in der Anwaltschaft viele Kritiker findet. Somit wird die Diskussion um das Verhältnis von Legal-Tech und den Rechtsanwälten durch die Reform kaum zum Stillstand kommen.
Zur Person: Christian Solmecke ist Partner der Kölner Medien- und IT-Rechts-Kanzlei Wilde Beuger Solmecke. Daneben ist Christian Solmecke Gründer und Geschäftsführer von Legalvisio, dem ersten Anbieter vollständig cloudbasierter Anwaltssoftware, sowie Gründer des LegalTech Meetup NRW. Als Autor des Buches „Legal Tech – Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“ ist er ein ausgewiesener Experte im Bereich Legal Tech.
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