BGH: rechtzeitige Erhebung einer Schiedseinrede

Eine Schiedsvereinbarung schließt den ordentlichen Rechtsweg nach § 1032 Abs. 1 ZPO aus, sofern sie rechtzeitig geltend gemacht wird. Die Erhebung einer Schiedseinrede gilt dann als rechtzeitig erfolgt, wenn sie vor Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben wird. Diese Regelung ist allerdings unter Umständen uneindeutig, etwa dann, wenn keine mündliche Verhandlung erfolgt und ein noch anfechtbares Versäumnisurteil ergangen ist. Mit der Frage nach der rechtzeitigen Erhebung einer Schiedseinrede sowie Fragen zu deren Wirksamkeit hat sich der BGH in einem Urteil vom 26.11.2020 (Az. I ZR 245/19) beschäftigt.

BGH I ZR 245/19

Die Beklagte war ein niederländisches Gewürzhändlerunternehmen, die Klägerin die Versicherung eines anderen Handelsbetriebes. Die eingeklagte Forderung war auf Schadensersatz wegen drei angeblich verunreinigten Gewürzlieferungen gerichtet. Der geltend gemachte Schaden belief sich auf etwa 106.000 €. Die Versicherung hatte ihrem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt und war damit nach dem Versicherungsvertrag Anspruchsinhaberin geworden.

Der Liefervertrag zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin hatte auf die AGB der Nederlandse Vereniging voor de Specerijhandel, eines Interessenverbandes von Gewürzhändlern, verwiesen. In Art. 16 der Verbands-AGB hieß es: „All disputes arising out of and in connection with a contract made on these conditions shall be decided on in conformity with the provisions of the Arbitrage Reglement (Arbitration Rules) of the Nederlandse Vereniging voor de Specerijhandel (Netherlands Spice Trade Association) at Amsterdam.“

Die Beklagte war auf die am LG Bremen erhobene Klage hin zunächst untätig geblieben, weswegen das LG ein (Teil-)Versäumnisurteil aussprach. Die Beklagte erhob hiergegen fristgerecht Einspruch und machte im selben Schreiben die Schiedseinrede geltend, woraufhin das LG die Klage wegen fehlender Zuständigkeit abwies (Az. 11 O 127/15). Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein, das OLG verwies die Sache (Az. 2 U 37/17) ans LG zurück. Die (Hauptsache-)Beklagte legte Revision zum BGH ein mit dem Ziel, die Wiederherstellung des LG-Urteils zu erwirken.

Problemstellung

Streitgegenständlich war im Wesentlichen, ob

  1. die Schiedsklausel wirksam in den Vertrag miteinbezogen war und
  2. die Erhebung der Schiedseinrede im Widerspruchsschreiben gegen das Versäumnisurteil als fristgerecht zu betrachten ist.

Die erste Frage ist nach der Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, dem sogenannten New Yorker Übereinkommen, zu beantworten. Art. 2 Abs. 1 dieses Abkommens sieht für Schiedsvereinbarungen die Schriftform vor. Nach Art. 2 Abs. 2 ist das Schriftformerfordernis dahingehend zu verstehen, dass die Schiedsklausel entweder im von den Parteien unterschriebenen Dokument enthalten sein, oder jedenfalls aus Schriftstücken hervorgehen muss, die von den Parteien selbst erstellt wurden. Die Verweisung auf Verbands-AGB genügt diesem Erfordernis nicht.

Das Berufungsgericht hatte, wie der BGH hervorhob, im Zurückverweisungsurteil weiterhin ausgeführt:

Trotz der Nichteinhaltung der Form des Art. II UNÜ [New Yorker Übereinkommen] könne die Schiedsvereinbarung allerdings über den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII UNÜ formwirksam sein. Danach sei § 1031 ZPO anwendbar, weil die Versicherungsnehmerin der Klägerin ihren Sitz in Deutschland habe (Art. 11 Abs. 2 EGBGB).

Der hier zitierte Art. 7 des New Yorker Übereinkommens ordnet die Subsidiarität des Übereinkommens an, wenn ein anderes zwischenstaatliches Übereinkommen angewendet werden soll, oder wenn die Parteien den Vertrag einer innerstaatlichen Rechtsordnung unterwerfen, die auch die Voraussetzungen einer wirksamen Schiedsklausel regelt.

Auf Kaufverträge zwischen Parteien verschiedener EU-Mitgliedsstaaten ist vorrangig die Rom-I-Verordnung anzuwenden. Diese lässt allerdings im B2B-Bereich uneingeschränkte Rechtswahl zu (Art. 3 Rom-I-VO). In den Verbands-AGB wird festgelegt: „Contracts made on these conditions shall be governed by the Law of The Netherlands whatever the nationality or residence of the parties.“. Die Parteien haben also kraft ihrer Rechtswahlfreiheit das niederländische Recht für anwendbar erklärt.

Anwendungsbereich der CISG

Sowohl die Niederlande als auch Deutschland gehören allerdings auch zu den CISG-Vertragsstaaten (Vienna Convention on Contracts for the International Sale of Goods), sodass den vorliegenden Vertrag zwischen einer niederländischen und einer deutschen Partei die CISG Anwendungsanspruch erhebt. Die CISG ist nur dann nicht abwendbar, wenn dies im Vertrag ausdrücklich bestimmt wird.

In den Verbands-AGB ist zu lesen: „Unless the contract contains any statement expressly to the contrary, the provisions of neither […], nor the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, 1980, shall apply thereto.“ Die Anwendung des CISG ist also ausgeschlossen.

Dieser Ausschluss setzt allerdings voraus, dass die AGB in den Vertrag einbezogen wurden. Die AGB lagen dem Vertragsdokument nicht bei, auf sie wurde nur in einem Schriftstück verwiesen, das nur von einer Partei unterzeichnet worden war. Es war an dieser Stelle gar nicht erheblich, welche der berührten Rechtsordnungen als maßgeblich für die Einbeziehung der AGB zu betrachten war: die AGB wären in keinem Fall wirksam einbezogen worden. Eine reine Verweisung in einem einseitig unterzeichneten Dokument lassen weder die deutsche, noch die niederländische Rechtsordnung und auch keines der anwendbaren Abkommen gelten.

Die AGB waren also nicht Vertragsbestandteil und somit auch nicht die darin enthaltenen Schiedsklauseln, Gerichtsstandsvereinbarungen und Statute zur Rechtswahl.

Rechtzeitige Erhebung der Schiedseinrede

Obgleich die Schiedseinrede ohnehin unbegründet war, lassen sich dem Urteil noch einige interessante Ausführungen zur Frage nach der Rechtzeitigkeit der Erhebung einer Schiedseinrede entnehmen.

Nach § 1031 ZPO muss die Schiedseinrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben werden. Dieser Wortlaut steht einer Erhebung im Einspruchsschriftsatz gegen ein Versäumnisurteil nicht entgegen, wie sich eindeutig aus § 342 ZPO ergibt. Demnach wird der Prozess durch einen Einspruch (soweit dieser zulässig ist) in die Lage versetzt, in der er sich vor Versäumniseintritt befand. Hat also noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden, kann eine Schiedseinrede in jedem Fall auch mit dem Einspruchsschriftsatz geltend gemacht werden. Der BGH zitierte ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.02.2010 (Az. 24 U 72/09), in dem dies bereits genauso entschieden worden war.

Fazit

Im Hinblick auf die rechtzeitige Erhebung der Schiedseinrede bestätigt das Urteil das, was nach dem Gesetzeswortlaut auch am naheliegendsten erscheint. Indem der zulässige Einspruch den Prozess in den Stand vor Versäumniseintritt versetzt, macht der die damit verbundene Schiedseinrede zulässig.

Die Einbeziehung von Schiedsklauseln, insbesondere solcher in AGB, ist ein wesentlich schwierigeres Thema. Hervorzuheben ist jedenfalls noch folgende Feststellung des BGH:

Bei der „Einbeziehung“ von Schiedsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geht es um das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, nicht um die inhaltliche Reichweite des Hauptvertrags. Die nach dem Hauptvertragsstatut zu beantwortende Frage, ob der materielle Teil eines AGB-Klauselwerks in den Vertrag einbezogen wurde, ist deshalb von der Frage zu trennen, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist

Deutlich wird also: zwischen der Schiedsklausel und den AGB im Übrigen muss unterschieden werden. Die Schiedsklausel hat einen grundlegend anderen Charakter als der materielle Teil der AGB. Daher ist sie in praktisch jeder Rechtsordnung an spezielle Wirksamkeitsvoraussetzungen geknüpft.