OLG Celle: Erlaubnispflicht für Kursanbieter und Coaches

Das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG) sieht eine Erlaubnispflicht für Anbieter digitaler Lernangebote vor.  Schließt ein Anbieter ohne entsprechende Zulassung Verträge mit Kursteilnehmern ab, so sind diese Verträge nichtig und begründen keinen Vergütungsanspruch. Zudem kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder gegen den Veranstalter verhängen.

Das FernUSG wurde in der Praxis lange als Teilmaterie des Verbraucherschutzrechtes behandelt und für B2B-Lehrangebote als irrelevant betrachtet. Ein Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 (Az. 3 U 85/22) stellt sich dieser Auffassung allerdings entgegen.

Sachverhalt

Dem Berufungsverfahren vor dem OLG Celle war ein Hauptverfahren vor dem LG Stade vorausgegangen, welches am 18.08.2022 durch Urteil (Az. 3 O 5/22) entschieden wurde. Kläger in der Hauptsache war ein Einzelunternehmer, der Coachings für Unternehmerinnen über das Internet anbot. Die Beklagte war eine Kundin des Klägers, welche im Jahr 2021 ein zwölfmonatiges Coaching zu einem Preis von zwölf Monatsraten zu je 2.200 € buchte.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Zahlung der vereinbarten Vergütung aus dem Coaching-Vertrag zuzüglich Zinsen. Die Beklagte begehrte im Wege der Widerklage die Feststellung, dass der streitgegenständliche Vertrag unwirksam sei. Zur Begründung führte sie die Nichtigkeit des Vertrages nach § 7 Abs. 1 FernUSG, die Sittenwidrigkeit wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB sowie wegen arglistiger Täuschung i.S.v. § 123 BGB.

Sowohl das LG Stade als auch das OLG Celle gaben der Beklagten recht und wiesen das Begehren des Klägers zurück. Beide Instanzen sahen den Coaching-Vertrag als ex tunc unwirksam an, allerdings aus jeweils unterschiedlichen Gründen. Das LG Stade betrachtete den Preis des Coachings als sittenwidrig überhöht und erklärte den Vertrag nach § 138 BGB für unwirksam.

Das OLG Celle hingegen gab der Beklagten aufgrund von § 7 Abs. 1 FernUSG recht und traf in seinem Urteil einige Feststellungen, welche beträchtliche Implikationen für sämtliche virtuellen Lehrangebote enthalten.

Erlaubnispflicht von Fernlehrgängen

In § 12 FernUSG ist vorgeschrieben, dass Anbieter von Fernlehrgängen eine aufsichtsbehördliche Erlaubnis benötigen. Die zuständige Aufsichtsbehörde ist nach dem jeweiligen Landesrecht zu ermitteln. In § 19 FernUSG wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, eine eigenständige Zentralstelle für Fernunterricht einzurichten, welche über die Zulassung von Anbietern auf dem Gebiet des jeweiligen Landes entscheidet.

Personen, welche Fernlehrgänge ohne Zulassung durch die zuständige Aufsichtsbehörde anbieten, begehen eine Ordnungswidrigkeit, welche nach § 21 FernUSG mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € geahndet werden können. Zudem sind bereits geschlossene Verträge über Fernunterricht gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Vereinbarte Vergütungen können nicht eingefordert werden und müssen gegebenenfalls zurückgewährt werden.

Was ist ein Fernlehrgang?

Der Begriff des Fernlehrganges beziehungsweise Fernunterrichtes ist in § 1 FernUSG definiert. Unter Fernunterricht ist demnach jede entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zu verstehen, bei welcher Lehrende und Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lernerfolg durch den Lehrenden überprüft wird. Der Begriff der Überprüfung des Lernerfolges ist hierbei, auch nach Auffassung des OLG Celle, weit zu verstehen. Ausgenommen sind gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 FernUSG lediglich solche Angebote mit reinem Freizeitwert, also ohne jeglichen wirtschaftlichen oder arbeitsbezogenen Nutzen.

Das Gesetz unterscheidet nicht danach, ob der räumlich getrennte Unterricht synchron oder asynchron erfolgt. Dies legt nahe, dass auch aufgezeichnete oder auf schriftlichem Material beruhende Kurse erfasst sein dürften.

Nimmt man zudem das Umgehungsverbot gemäß § 8 FernUSG in den Blick, ergibt sich das Gesamtbild, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes bewusst weit gefasst ist, um sämtliche Arten der virtuellen Wissensvermittlung zu erfassen.

Unwirksamkeit unerlaubter Verträge

Nach § 7 Abs. 1 FernUSG ist ein Vertrag über Fernunterricht unwirksam, wenn der Anbieter keine Zulassung gemäß § 12 FernUSG innehat. Das bedeutet, dass aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche erwachsen. Der Anbieter hat kein Recht, seine Vergütung einzufordern. Wurde die Vergütung bereits ganz oder teilweise gezahlt, muss der Anbieter sie entsprechend § 812 Abs. 1 BGB wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgewähren.

Wurde bereits Fernunterricht erteilt oder Material bereitgestellt, so kommt im Grundsatz dennoch kein Anspruch des Anbieters gegen den Kunden in Betracht. Ansprüche nach § 812 Abs. 1 BGB scheitern regelmäßig daran, dass der Kunde keinen rechtlichen Vorteil erlangt hat, selbst wenn bereits Kenntnisse vermittelt wurden. Dies hängt mit der Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung zusammen: war der Anbieter nicht befugt, Fernunterricht zu erteilen, so stellen seine einschlägigen Leistungen keinen rechtlichen Vorteil dar.

Zulassungsvoraussetzungen

Für die Zulassung ist die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zuständig. Das Bildungswesen liegt zwar grundsätzlich im Zuständigkeitsbereich der Länder, die ZFU verfügt allerdings über delegierte Kompetenzen und ist für Anträge aus allen Ländern zuständig. Der Antrag muss für jeden Fernlehrgang separat gestellt werden, eine generelle Zulassung als Anbieter von Fernlehrgängen ist nicht vorgesehen.

Die zuständige Aufsichtsbehörde prüft den Antrag auf Zulassung innerhalb von drei Monaten und erlässt einen Bescheid über die Gewährung oder Versagung der Zulassung. Die Prüfung in didaktischer Hinsicht erfolgt durch die ZFU selbst gegen die regulären Verwaltungsgebühren. Mit der fachlichen Überprüfung des Unterrichtsmaterials wird ein externer Gutachter beauftragt. Je nach Fachgebiet können für die Zulassung eines Kurses also erhebliche Kosten entstehen.

Gründe für eine Versagung der Zulassung sind in § 12 Abs. 2 FernUSG aufgeführt: So prüft die Behörde unter anderem nach eigenem Ermessen, ob der Fernlehrgang zur Erreichung der kommunizierten Lernziele geeignet ist oder nicht. Zwingende Zulassungsvoraussetzung ist zudem eine Belehrung entsprechend § 16 FernUSG. Diese muss unter anderem exakte Informationen über Lernziele und Anforderungen des Fernlehrganges enthalten. Zudem muss über das gesetzliche Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB sowie das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 5 FernUSG informiert werden. Hinzu treten weitere neunzehn Informationspflichten gemäß Art. 246a EGBGB.

Den Ländern steht es nach § 12 Abs. 2 FernUSG ausdrücklich frei, weitere Zulassungsbeschränkungen gesetzlich zu normieren. Die Zulassungsvoraussetzungen für einen bestimmten Fernlehrgang können sich daher von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.

Gemäß § 12 Abs. 4 FernUSG kann die Zulassung eines Fernlehrganges mit Bedingungen, Befristungen sowie mit Auflagen versehen werden. Betrachtet die Aufsichtsbehörde den Fernlehrgang nach Zulassung als nicht mehr zulässig, so nimmt sie die Zulassung nach § 14 FernUSG zurück.

Änderungen in Fernlehrgängen, wie beispielsweise neu definierte Lernziele oder geändertes Kursmaterial, bedürfen einer Anzeige bei der Aufsichtsbehörde und einer neuen Zulassung.

Keine Beschränkung auf Verbraucherverträge

Eine wesentliche Neuerung im Urteil des OLG Celle ist die Tatsache, dass das FernUSG auf einen Vertrag zwischen zwei Unternehmern angewendet wurde. In der Vergangenheit wurde das FernUSG in der juristischen Praxis im Wesentlichen als Verbraucherschutzgesetz betrachtet und im B2B-Bereich weitgehend ignoriert. Dieser Auffassung trat das OLG Celle ausdrücklich entgegen.

Das FernUSG nimmt an vielen Stellen Bezug auf das Verbraucherrecht, so unter anderem in §§ 3, 16 FernUSG. Der Bundestag nahm in seiner Gesetzesbegründung (Drucksache 17/12637, Seite 87) bei Umsetzung der europäischen Verbraucherschutzrichtlinie 2011/83/EU ausdrücklichen Bezug auf das FernUSG, welches von den Änderungen ebenfalls erfasst wurde. Der Bundestag stellte ausdrücklich fest, dass das bisherige Verbraucherschutzniveau im Anwendungsbereich des FernUSG aufrechterhalten bleibe. Dies legte den Schluss nahe, dass die Intention des Gesetzgebers bei der Neufassung des FernUSG in erster Linie der Verbraucherschutz sei. Dieser Auffassung folgend, wurde das FernUSG in der Vergangenheit auf Verbraucherverträge i.S.v. § 312 i.V.m. §§ 13, 14 BGB angewendet.

Das OLG Celle brachte hiergegen vor, dass das FernUSG zwar wiederholt auf das Verbraucherschutzrecht verweise, allerdings niemals selbst den Begriff des Verbrauchers oder sonstige spezifische Terminologie des Verbraucherschutzrechtes verwende. Dies deute darauf hin, dass das FernUSG zwar an den Schutzgedanken des Verbraucherschutzrechtes anknüpfe, diesen allerdings ausdrücklich nicht auf Verbraucherverträge beschränken solle.

Zudem führte das OLG an, dass in der Praxis auch solche Fernlehrgänge das Zulassungssiegel der ZFU führten, die sich ausdrücklich an Unternehmer i.S.v. § 14 BGB richteten. Dies sei etwa bei Lehrgängen der Fall, die zur Fachanwaltsausbildung entsprechend der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gehörten. Hieraus leitete das Gericht ab, dass das Zulassungssiegel auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern der allgemein erwartete Qualitätsstandard sei.

Konsequenzen

Das OLG Celle trifft in seiner Entscheidung grundsätzliche Feststellungen, die weit über den konkret entschiedenen Fall hinausgehen. Betrachtet man die Rechtsauffassung des OLG Celle als maßgeblich, so bedarf jeder Anbieter jeglichen virtuellen Weiterbildungsangebotes einer Zulassung durch die ZFU. Zudem wären sämtliche in der Vergangenheit geschlossenen Verträge über virtuelle Kurse und Coachings nichtig und müssten rückabgewickelt werden.

Ebenfalls fraglich ist in der Folge die Behandlung populärer Anbieter von allgemein zugänglichen Kursen wie edX, coursera und Udemy. Diese Plattformen haben in der beruflichen Praxis schon längst einen enorm hohen Stellenwert. In vielen Kursen dieser Plattformen besteht die Option einer individuellen Lernerfolgskontrolle, etwa mittels Einsendeaufgaben. Der Markt virtueller Lernangebote wächst weiterhin unaufhörlich und wird es im Zuge der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt auf nicht absehbare Zeit auch weiterhin tun. Für Plattformen dieser Größe, welche üblicherweise mehrere hundert bis mehrere zehntausend Kurse anbieten, erscheint das umständliche Zulassungsverfahren allerdings wenig praxistauglich.

Freilich sind die genannten US-Unternehmen vom Anwendungsbereich des FernUSG nicht unmittelbar betroffen, allerdings würde die Rechtsauffassung des OLG Celle bedeuten, dass es faktisch unmöglich würde, eine vergleichbare Plattform innerhalb Deutschlands aufzubauen. Zudem müssten die betreffenden Plattformen möglicherweise ihr Angebot speziell für deutsche Nutzer einschränken.

Sollte sich die Auffassung des OLG Celle als ständige Rechtsprechung etablieren, würde der Großteil aller Angebote aus dem Bereich der Fernlehre in Deutschland rechtswidrig.

Fazit

Das FernUSG ist nach Auffassung des OLG Celle ohne Einschränkungen sowohl auf Verbraucherverträge als auch auf Verträge zwischen Unternehmern anwendbar. Der Begriff des Fernunterrichtes ist hierbei weit zu verstehen und erfasst praktisch alle virtuellen Coachings und Kursangebote. Wer Fernunterricht ohne staatliche Zulassung durch die ZFU erteilt, begeht eine Ordnungswidrikeit und muss zudem erhaltene Vergütungen für Fernunterricht zurückgewähren, da alle vergangenen und zukünftigen Verträge über nicht zugelassene Angebote der Fernlehre nichtig sind.