Warum ist die Abgrenzung überhaupt so wichtig?
Für Arbeitgeber ist die Abgrenzung zwischen einem Arbeitsvertrag und anderen Verträgen ein heikles Thema. Ob es sich bei dem jeweiligen Vertragspartner um einen Angestellten oder einen Selbstständigen handelt, entscheidet darüber ob eine Vielzahl von Gesetzen, wie etwa das Kündigungsschutzgesetz, zur Anwendung kommt. Im schlimmsten Fall macht sich der Arbeitgeber sogar gem. § 266a Abs. 1 StGB strafbar, wenn er nicht erkennt, dass es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Arbeitsvertrag handelt und für den Arbeitnehmer demnach kein Geld in die Sozialversicherung einzahlt. Es droht Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft. Dabei ist es egal, ob der Arbeitsvertrag als solcher bezeichnet wird oder einen anderen Namen wie Werk- oder Dienstvertrag trägt. Auch der Wortlaut des Gesetzes ist leider recht schwammig. Gem. § 611a Abs. 1 S. 1 BGB liegt ein Arbeitsvertrag immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Abgrenzungsschwierigkeiten sind demnach vorprogrammiert. Gerade in Zeiten von Corona kommt dem Urteil im Hinblick darauf, ob im konkreten Fall beim Arbeiten von Zuhause aus ein Arbeitsverhältnis vorliegt, besondere Bedeutung zu.
Was war der Streitfall?
Die Arbeitnehmerin arbeitete mehrere Jahre lang in einem international tätigen Schmuckgroßhandel als Einzelkauffrau, seit sie sich auf eine Stellenausschreibung als Telefonistin auf 400-Euro-Basis beworben hatte. Ihre Arbeit übte sie aus, indem sie von Zuhause per Mail Kontakt zu Kunden des Unternehmens aufnahm oder vorgegebene Listen abtelefonierte. Dies tat sie insbesondere um mit den Kunden Termine für Außendienstmitarbeiter zu vereinbaren. Ihre Arbeitszeit konnte sie sich innerhalb der von der Unternehmungsführung vorgegebenen Uhrzeiten selbst einteilen. Bezahlt wurde sie nach Erfolgsprovision. Nachdem man ihr nach Rechnungsstreitigkeiten mitteilte, dass man die Zusammenarbeit mit ihr beenden wolle, stellte sie einen Antrag auf Durchführung eines sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahren, dessen Voraussetzung ein bestehendes Arbeitsverhältnis ist.
Die Leitsätze
Das LSG Schleswig-Holstein gab der Arbeitnehmerin mit Urteil vom 15. 06.2020 recht (Az. L 5 KR 16/17). Dabei können aus dem Urteil zwei Leitsätze für derartige Fälle herausgearbeitet werden.
- Für die Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer versi-cherungsfreien selbständigen Tätigkeit sind im Falle der Erbringung von telefonischen Dienstleistungen das Maß der Eingliederung des Auftragnehmers in die betriebliche Arbeitsorganisation des Auftraggebers und der Grad der im Rahmen dieser Eingliederung bestehenden Weisungsunterworfenheit des Auftragnehmers in der Regel von ganz besonders wesentlichem Gewicht.
- Unterhält der Auftragnehmer eine betriebsmittelarme Betriebsstätte in seiner Privatwohnung, die ebenso als Home-Office qualifiziert werden kann, kommt diesem Umstand weder für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses, noch für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit eine Indizwirkung zu.
Zunächst ist bei der Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, also besonders von Belang, inwieweit jemand in den Betrieb des Arbeitnehmers eingegliedert ist und in welchem Maße er dabei den Weisungen von diesem unterworfen ist. Interessant ist noch die zweite Feststellung, dass der Arbeit von Zuhause aus insbesondere keine Indizwirkung für eine selbstständige Tätigkeit zukommt. Interessant daher, weil man schnell mal annehmen könnte, dass jemand vollständig von Zuhause arbeite, sei gerade eines der besten Kriterien um zwischen einem Arbeitsvertrag und anderen Vertragsformen abzugrenzen.
Fazit
Nach wie vor ist natürlich eine genaue Einzelfallbetrachtung unerlässlich und auch nach diesem Urteil wird es für Unternehmer, die Personen beschäftigen, die von Zuhause aus tätig werden nicht unbedingt leichter, klare Trennlinien zwischen den Vertragsarten zu ziehen.
Wer im Home-Office arbeitet darf sich jedoch über das Urteil freuen: Aus der reinen Tätigkeit von Zuhause aus lässt sich nach Ansicht des LSG Schleswig-Holsteins kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ableiten.