Unternehmenssteuern vergleichen – nur wie?

Mit einem Körperschaftssteuersatz von 15 % liegt Deutschland im untersten Drittel innerhalb der Europäischen Union. Ist Deutschland nun ein steuerlich vorteilhafter Unternehmensstandort? Nun, mit der Körperschaftsteuer ist es nicht getan. Wie kann es sein, dass Länder mit niedrigen Körperschaftsteuern effektiv Hochsteuerländer und Länder mit hohen Körperschaftsteuern effektiv Niedrigsteuerländer sind? Der Vergleich von Unternehmenssteuern ist ein wenig komplexer als das Nebeneinanderstellen nominaler Steuersätze.

Nebenkosten und Zutrittshürden

Zunächst einmal muss vorab festgehalten werden, dass das Steuerrecht eines Landes nicht nur über die Steuerforderungen an sich Kosten verursacht. Eventuelle Audit- bzw. Rechnungslegungspflichten führen zu einem erhöhten Ressourcenaufwand. Zudem entstehen unter Umständen laufende Kosten allein dafür, das Steuerrecht überhaupt rechtssicher einzuhalten. In Deutschland etwa ist es als Unternehmen ab einem gewissen Geschäftsvolumen unumgänglich, einen Steuerberater zu engagieren, da das Steuerrecht komplex und zudem die Steuererhebung an sich sehr umständlich ist. In Estland beispielsweise existiert der Beruf des Steuerberaters praktisch nicht, da das Steuerrecht transparent und leicht verständlich ist und es auch Unternehmern einfacher Bildung ermöglicht, ihre steuerlichen Angelegenheiten selbst abzuwickeln.

Auch die Kosten, die durch sonstige Bürokratie und Zugangshürden (etwa den Joint Venture-Zwang in China) entstehen, sollten in diesem Zuge vorab berücksichtigt werden, bevor die Körperschaftsteuersätze verglichen werden. Eine nachweisbare steuerliche Betriebsstätte in einem Land zu errichten wird ebenso mit unvermeidlichen laufenden Kosten einhergehen (ohne eigenes Büro und Personal wird die Anerkennung einer steuerlichen Betriebsstätte, gerade durch das deutsche Finanzamt, regelmäßig schwierig).

Natürliche Personen, die die E-Residency von Estland innehaben, können für 100 € Gebühr innerhalb von 18 Minuten eine estnische Körperschaft gründen. In Deutschland ist mit mehreren Monaten Gründungsdauer (in meinem Fall waren es damals 10 Monate) und über 1000 € Kosten allein für Notar, Gericht und Bundesanzeiger zu rechnen.

Andere Unternehmenssteuern

Wie war das noch gleich mit den deutschen Unternehmenssteuern? Ein Steuersatz von 15 % klingt für europäische Verhältnisse doch eigentlich ganz attraktiv?

Nun, leider ist Körperschaftsteuer nicht gleich Unternehmenssteuer. Zu dieser gesellt sich nämlich in jedem Fall noch die Gewerbesteuer hinzu. Die Körperschaftsteuer kann nicht auf die Gewerbesteuer angerechnet werden und umgekehrt, daher treten beide Steuern in voller Höhe kumulativ nebeneinander. Bemessungsgrundlage ist nach § 7 GewStG der Gewerbeertrag, und dieser entspricht dem Gewinn nach § 8 KStG i.V.m. § 4 EStG, er ist also deckungsgleich mit dem Gewinn des Unternehmens im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes. Die Gewerbesteuer errechnet sich aus der Gewerbesteuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG) mit dem Hebesatz (§ 16 GewStG) der hebeberechtigten Gemeinde (§ 4 GewStG). In der Praxis liegt die Gewerbesteuerlast in den meisten Gemeinden bei über 15 %. Die Steuerlast für Unternehmen beträgt also praktisch betrachtet mindestens 30 %.

Steuern wie die Gewerbesteuern existieren in den meisten Ländern nicht, in einigen tun sie es allerdings (darunter neben Deutschland etwa in Österreich, in der Schweiz und in Liechtenstein). Solche zusätzlichen Unternehmenssteuern neben der Körperschaftsteuer müssen beim Vergleich der Steuersätze unbedingt berücksichtigt werden, ansonsten ist die gesamte Rechnung wertlos.

Relevant ist zudem auch, ob am eigenen Unternehmensstandort indirekte Steuern wie die Umsatzsteuer abgeführt werden müssen, sowie ggf. deren Höhe und die zusätzlichen Kosten, die durch Abrechnung, Anmeldung, Nachweis und Zahlung dieser Steuern entstehen (z.B. quartalsweise Umsatzsteuervoranmeldung in Deutschland).

Doppelbesteuerung national

Mit der Unternehmenssteuer ist es freilich noch nicht getan. Das Geld ist ja nun im Unternehmen, nicht beim Eigentümer. Wird der Gewinn ausgeschüttet, wird nochmals die persönliche Einkommenssteuer fällig. Der Gewinn, den eine deutsche GmbH an ihre Gesellschafter ausschüttet, wird auf Ebene der GmbH mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer besteuert, und bei Ausschüttung nochmals beim Gesellschafter persönlich als Einkommen aus Kapitalvermögen (§§ 20, 32d EStG). Dies ergibt dann folgendes Bild:

Von 100.000 € Gewinn minus 15 % KSt und 15 % GewSt bleiben 70.000 €, die der GmbH zufließen. Schüttet diese die 70.000 € an ihren Alleineigentümer aus, werden nochmals 27 % (Kapitalertragsteuer zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer) fällig, also 18.900 €. Von den 100.000 € Gewinn, die die GmbH erwirtschaftet hat, kommen also nur 51.100 € beim Eigentümer an. Die effektive Steuerlast aus Perspektive des Unternehmers liegt also wegen dieser Doppelbesteuerung bei knapp 50 %.

Die Doppelbesteuerung von Gewinnen finden nicht in allen Ländern statt, in vielen ist die persönliche Einkommenssteuer mit der Körperschaftsteuer bereits abgegolten (beispielsweise in Estland). Auch die Ebene der Gesellschafter als solcher ist also beim Vergleich der Unternehmenssteuern zu berücksichtigen.

Doppelbesteuerung international

Daneben kann aber auch wegen der gesellschaftsrechtlichen Struktur, wegen ausländischen Betriebsstätten oder wegen der Ansässigkeit von Kunden oder Geschäftspartnern eine Doppelbesteuerung drohen, wenn der Gewinn nach dem Steuerrecht mehrerer Staaten steuerbar ist und kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen diesen besteht. Auch die CFC-Rules bzw. das Außensteuerrecht (in Deutschland das AStG) können zu einer Mehrfachbelastung desselben Gewinns führen. Auch das Außensteuerrecht und die Doppelbesteuerungsabkommen eines Staates sind daher ein wichtiges Kriterium bei der Standortwahl.

Steuererhebung

Erhebt ein Staat Quellensteuern, oder ist immer der Empfänger einer Zahlung auch zur Abführung der Steuer verpflichtet? Wie wir bereits im Artikel über das ehemalige Premium-Steuersparmodell Double Irish with a Dutch Sandwich gelernt haben, haben etwa Irland und die Niederlande eine vollkommen unterschiedliche Regelungen über die Abführung der Steuern auf Gewinne aus Lizenzgebühren. Irland erhebt bei Zahlung solcher Gebühren ins Ausland eine Quellensteuer von 20 %, die Niederlande erheben keine Quellensteuer. Auch die Form der Steuererhebung und die Frage, ob Erstattungen möglich sind, stellen elementare Informationen bei der Konzeption der eigenen Unternehmensstruktur dar.

Nachgelagerte Besteuerung

Einen geradezu spektakulären Vorteil bieten Körperschaften in Estland und Georgien: Die Körperschaftsteuer von 20 % (Estland)  beziehungsweise 15 % (Georgien) wird erst bei Ausschüttung des Gewinns an die Gesellschafter fällig und tritt an die Stelle der persönlichen Einkommenssteuer (bzw. Kapitalertragsteuer) der Gesellschafter. Somit wird nicht nur die Doppelbesteuerung der Gewinne vermieden, sondern auch die Thesaurierung und Reinvestition in das eigene Unternehmen ist steuerfrei möglich. Für wachsende Unternehmen mit hoher Reinvestitionsquote, aber auch für kapitalverwaltende Holdings, ist dieses Modell optimal und macht Estland und Georgien als Unternehmensstandorte wesentlich attraktiver, als ihre relativ hohen Steuersätze es zunächst vermuten lassen. Spezielle Vorteile wie die nachgelagerte Steuererhebung sollten auch in jeden Vergleich mit einfließen. Aber Georgien hat sogar noch einen weiteren Vorteil…

Territorialsteuer

In vielen Ländern werden die nominalen Steuersätze ausschließlich auf Einkommen erhoben, das aus inländischen Quellen stammt. Beispiele für solche Länder sind etwa Panama, Costa Rica, Paraguay, Malaysia oder Thailand (wobei das komplexe Steuerrecht Thailands hier einige Stolperfallen bereithält). Das Territorialsteuerprinzip wird in einigen Ländern jedoch nicht nur auf das Einkommen natürlicher Personen, sondern auch auf das Einkommen inländischer Körperschaften angewendet. Dies ist etwa in Panama, Singapur und Hong Kong der Fall.

Steuerbemessungsgrundlage

Sind die sonstigen Rahmenbedingungen der Steuerpflicht einbezogen, stellt sich schließlich die Frage, auf welchen konkreten Betrag der Körperschaftsteuersatz zu entrichten ist. Hier sind zwei wesentliche Ansätze zu unterscheiden: die Besteuerung des Umsatzes und die Besteuerung des Gewinns.

Der Umsatz sind die gesamten Einnahmen eines Unternehmens im betreffenden Steuerjahr. Der Gewinn ist der verbleibende Betrag, wenn vom Umsatz die Betriebskosten abgezogen werden. In Deutschland ist die Besteuerung des Gewinns üblich, im Einkommens- und Körperschaftsteuerrecht ist es erlaubt, vom steuerbaren Gewinn die betriebsbezogenen Aufwendungen abzuziehen. In Rumänien etwa werden Körperschaften auf ihren Umsatz besteuert, ohne Rücksicht auf betriebsbezogene Aufwendungen. Dafür ist der Steuersatz mit 1 % (bis umgerechnet 1.000.000 € Umsatz pro Jahr) ausgesprochen attraktiv.

Bei gleichem Umsatz fällt eine Besteuerung nach Gewinn immer niedriger aus als eine Besteuerung nach Umsatz, da hier betriebsbezogene Aufwendungen vom steuerbaren Gewinn in Abzug gebracht werden können. Dafür ist eine Besteuerung nach Umsatz wesentlich einfacher und mit weniger Bürokratie und Nachweispflichten verbunden. In Kombination mit den in aller Regel niedrigen Steuersätzen kann ein Steuersystem, in dem der Umsatz als Bemessungsgrundlage dient, durchaus attraktiv sein. Relevant ist aber vor allem die Profitabilität, also der Anteil am Umsatz, der als Gewinn übrig bleibt. Für ein Industrieunternehmen mit hohen betriebsbezogenen Aufwendungen (Rohstoffe, Energie, Produktionsstätten, viele Arbeitnehmer), welches eine Profitabilität von beispielsweise 5 % aufweist (heißt: von 100.000 € Umsatz bleiben 5.000 € als Gewinn übrig) wird eine Steuerbemessung anhand des Umsatzes in aller Regel sehr ungünstig sein (es sei denn, der Steuersatz liegt so unschlagbar niedrig wie in Rumänien). Für ein digitales Dienstleistungsunternehmen hingegen, welches kaum laufende Kosten und daher eine Profitabilität von 90 % oder höher hat (von 100.000 € Umsatz bleiben 90.000 € als Gewinn), wird die Mehrbelastung durch die fehlende Absetzbarkeit von Betriebskosten meist kaum ins Gewicht fallen und durch die reduzierte Bürokratie ausgeglichen. In diesem Fall kann die Besteuerung nach Umsatz sogar ein handfester Vorteil sein.

Die Steuerbemessungsgrundlage ist eine zentrale Kennzahl im Steuerrecht und muss beim Vergleich von Unternehmenssteuersätzen in jedem Fall berücksichtigt werden. Was sich wirtschaftlich gesehen empfiehlt, ist hochgradig spezifisch und vom konkreten Unternehmen abhängig.

Fazit

Der Vergleich von Unternehmenssteuern in verschiedenen Staaten ist nicht trivial und muss auf mehr Daten gestützt werden als auf den nominalen Körperschaftsteuersatz. Vielmehr muss die Systematik des jeweiligen nationalen Steuerrechtes verstanden und im internationalen Kontext, etwa im Hinblick auf Quellensteuern und Doppelbesteuerungsabkommen, betrachtet werden.