OLG Düsseldorf: Kündigung eines Vertragshändlers

Wird ein Vertragshändler gekündigt, der beispielsweise vorher Kraftfahrzeuge eines bestimmten Herstellers vertrieben hat, so werden grundlegende Umgestaltungen seines Geschäftsbetriebes erforderlich sein. Immerhin hat im Falle eines Vertragshändlervertrages nicht irgendein Lieferant gekündigt, sondern vielmehr der Lieferant, auf dessen Lieferung der Handelsbetrieb ausgerichtet war.

Sachverhalt

Der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 05.08.2020, Az. VI-U (Kart) 10/20, als Berufungsinstanz über einen vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin vor dem Landgericht im Zusammenhang mit der Kündigung eines solchen Vertragshändlervertrages entschieden.

Der (Verfügungs-)Beklagte war Vertragshändler der (Verfügungs-)Klägerin und vertrieb von der Klägerin hergestellte Motorräder. Die Klägerin kündigte den Vertragshändlervertrag zum Ende des Jahres 2019 ordentlich und wirksam.

Infolge der Kündigung beantragte sie vor dem zuständigen Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die den Beklagten verpflichten sollte, sofort alle Markenkennzeichnungen der Klägerin, die ihn für die Öffentlichkeit als Vertragshändler auswiesen, von seinem Betriebsgelände zu entfernen. Das LG gab dem Antrag statt, räumte dem Beklagten allerdings eine Umstellungsfrist von einem halben Jahr über die Kündigungsfrist hinaus ein.

Beide Parteien legten Berufung ein. Der Beklagte verlangte eine längere Umstellungsfrist, die Klägerin machte geltend, dem Beklagten stehe keine Umstellungsfrist zu. Mit dem Ablauf der Frist erklärte die Klägerin ihre Berufung für erledigt. Das OLG wies mit seinem Urteil die Berufung des Beklagten als unbegründet zurück und erließ zugleich die Verfügung zugunsten der Klägerin.

Anwendbarkeit des Kartellrechtes

Das OLG hat sich in seinem Urteil auch ausführlich mit der Wirksamkeit der Kündigung und in diesem Zuge mit dem vorliegenden Vertragshändlervertrag befasst. Fraglich war insbesondere, ob angesichts der ordentlichen Kündigungsfrist im Vertrag überhaupt das Bedürfnis für eine darüberhinausgehende Umstellungsfrist vorgelegen hat.

Im Urteil wurde dabei schwerpunktmäßig auf kartellrechtliche Probleme eingegangen. Das Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) setzt marktbeherrschenden Unternehmen strengere Grenzen hinsichtlich der Vertragsgestaltung als anderen, um die Ausnutzung einer monopolähnlichen Stellung zur Wettbewerbsverzerrung zu unterbinden.

Entscheidend dafür, ob das GWB zur Beschränkung der Vertragsfreiheit (s.u.) führt, ist hier der § 18 GWB, der festlegt, wann ein Unternehmen oder eine Gesamtheit von Unternehmen als marktbeherrschend zu betrachtend ist. Der Beklagte hatte geltend gemacht, die Klägerin beherrsche gemeinsam mit anderen Unternehmen den Markt. Dies setzt nach § 18 Abs. 5 und Abs. 6 GWB

  1. einen fehlenden Wettbewerb zwischen den in Betracht kommenden Unternehmen und
  2. je nach Anzahl der Unternehmen einen gewissen Anteil am gesamten bundesdeutschen Markt für ihre Waren voraus, den sie insgesamt erreichen.

Je mehr Unternehmen beteiligt sind, desto höher ist der erforderliche Marktanteil, da mit zunehmender Anzahl der Unternehmen das völlige Fehlen jeglichen Binnenwettbewerbs immer unplausibler wird. Diese sogenannte Oligopol-Vermutung kann widerlegt werden, indem die betreffenden Unternehmen beweisen, dass zwischen ihnen Wettbewerb besteht.

Das OLG führte hierzu unter anderem aus:

„Insbesondere ist von Bedeutung, ob aufgrund der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder des Oligopols zu rechnen ist, weil ein solches […] wirtschaftlich vernünftig ist, um den gemeinsamen Gewinn durch Beeinflussung von Wettbewerbsfaktoren zu maximieren.“

Dies ist nach dem OLG insbesondere dann der Fall, wenn es den Unternehmen ohne weiteres sofort möglich ist, auf das Verhalten der anderen Unternehmen zu reagieren, sodass ein wettbewerbsbeschränkend gleichförmiges Verhalten zu erwarten ist.

Als weiteres Indiz stellte das OLG folgendes heraus:

„Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Homogenität des vertriebenen Produkts ein Produkt- und Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt oder gar nicht in Betracht kommt, sowie ferner, ob die Mitglieder des Oligopols gesellschaftsrechtlich […] oder durch langfristige Lieferbeziehungen verbunden sind, so dass ein wettbewerbsbeschränkendes Parallelverhalten begünstigt wird.“

Liegt ein Monopol oder Oligopol nach § 18 GWB vor, greifen die Beschränkungen der §§ 19, 20 GWB, die die Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung beziehungsweise der relativen Abhängigkeit eines anderen Unternehmens generalklauselartig verbieten. Sie enthalten jeweils auch spezielle Ausnutzungstatbestände, die den Maßstab für das bilden, was als wettbewerbswidrige Ausnutzung zu werten ist.

Entscheidung und Gründe

Nach Auffassung des OLG trug der Sachvortrag des Beklagten die geltend gemachten Abhängigkeitsvermutung nicht, mit dem er die Ausnutzung der relativen Abhängigkeit nach § 20 GWB geltend machen wollte. Das OLG verwies hierzu auf ein einschlägiges BGH-Urteil vom 21.02.1995, Az. KZR 33/93, das die kartellrechtlichen Grundsätze für Vertragshändlerverträge konkretisiert.

Der BGH hatte darin zwei wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage hervorgehoben, ob eine bestimmte AGB-Klausel (etwa über die Kündigungsfrist) als unangemessene Benachteiligung zu werten sei:

  1. Die Möglichkeiten des Vertragshändlers, zu einem anderen Lieferanten zu wechseln,
  2. Wie spezifisch der Geschäftsbetrieb (auch etwa die Gestaltung des Betriebsgeländes) des Vertragshändlers auf die Bedürfnisse des einzelnen Lieferanten zugeschnitten ist und inwieweit dies auf Veranlassung des Lieferanten geschehen ist.

Diese Faktoren können insbesondere auf eine relative Abhängigkeit des Vertragshändlers vom Lieferanten hindeuten. Der BGH hob allerdings auch hervor:

„Daß der Händler Betriebsgelände und -räume bereitstellt, ist […]. Die Aufwendungen hierfür sind in erster Linie sein Risiko und können bei der Bemessung der Kündigungsfrist nicht wesentlich zu Lasten des Herstellers gehen; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Hersteller den Händler nicht im Vertragsanbahnungsstadium zu den Aufwendungen veranlaßt hat.“

Anmerkung: Der BGH hat die Wirksamkeit der Vereinbarung über die Kündigungsfrist am Maßstab von § 9 AGBG geprüft. Das AGBG ist mittlerweile ins BGB integriert. § 307 BGB entspricht § 9 AGBG.

Unter Berücksichtigung der Wertungen des BGH sah das OLG kein Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten, dass die Gewährung einer längeren Umstellungsfrist rechtfertigen würde. Die Räumungspflicht innerhalb der Kündigungsfrist ist keine unangemessene Benachteiligung und wurde dem Beklagten auch nicht aufgrund seiner relativen Abhängigkeit im Sinne von § 20 GWB aufgedrängt.

Fazit

Von einem Vertragshändler kann die Beseitigung aller Markenkennzeichen und ähnlichem innerhalb der vertraglichen Kündigungsfrist verlangt werden, sofern diese Pflicht ihn nicht unangemessen benachteiligt.
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich insbesondere aus kartellrechtlichen Wertungen ergeben. Diese greifen aber nicht bereits dann, wenn der Vertragshändler seinen Geschäftsbetrieb eigenverantwortlich an den Vertrieb als Vertragshändler angepasst hat.