Das Gesellschaftsstatut im internationalen Privatrecht

Das Statut trifft eine Aussage darüber, welche (in der Regel nationale) Rechtsordnung auf einen streitigen internationalen Sachverhalt anzuwenden ist. Im Gesellschaftsrecht ist dies besonders problematisch, da das anzuwendende Recht erst darüber entscheidet, ob die Gesellschaft besteht bzw. als solche rechtsfähig ist. Das Gesellschaftsstatut ergibt sich nicht aus internationalen Abkommen, insbesondere ist das Gesellschaftsrecht nicht Gegenstand der Rom-Verordnungen der EU.

Die Rechtsprechung der nationalen Gerichte wendet folgende Methoden zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts an:

Gründungstheorie

Nach der Gründungstheorie ist die Rechtsfähigkeit und das Bestehen der Gesellschaft nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie gegründet wurde, in dem sie also ihr Rechtsfähigkeit erlangt hat, und in dessen Handelsregister sie dementsprechend eingetragen ist. Verlegt die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit also ins Ausland, behält sie ihre Rechtsform uneingeschränkt bei.

Sitztheorie

Der BGH folgte traditionell der sogenannten Sitztheorie. Demnach ist eine Gesellschaft der Rechtsordnung unterworfen, in deren räumlichen Einflussbereich sie effektiv ihren Verwaltungssitz hat; demnach wäre etwa eine ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland nicht als solche anzuerkennen, da es sie nach deutschem Recht nicht gibt. Der Verwaltungssitz bestimmt sich danach, wo schwerpunktmäßig geschäftliche Entscheidungen getroffen werden. Am 01.07.2002 urteilte der BGH in der Sache II ZR 380/00, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft (hier: eine Ltd. Nach englischem Recht) wie eine rechtsfähige Außen-GbR zu behandeln sei. Ihr wird also die Rechtsfähigkeit, nicht aber der Charakter als Kapitalgesellschaft (was für die Haftung der Gesellschafter entscheidend ist) zuerkannt.

Eine der Sitztheorie zugrunde liegende Erwägung ist die Vermutung, dass eine schwerpunktmäßige Verlegung der Geschäftstätigkeit ins Ausland zur Umgehung nationaler Vorschriften des Gesellschaftsrechts diene, was einen Missbrauch der ausländischen Rechtsform zu unlauteren Zwecken nahelege.

Das Gesellschaftsstatut nach EU-Recht

Zumindest innerhalb der EU verstößt die Sitztheorie wegen ihrer Auswirkungen gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49, 54 EUV, wie aus dem Urteil des EuGH vom 09.03.1999 in der Sache C-212/97 hervorgeht. Hierin trat der EuGH zugleich den Bedenken, denen unter anderem der BGH gefolgt war, entgegen:

„Damit kann es für sich allein keine mißbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet. Das Recht, eine Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats zu errichten und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen zu gründen, folgt nämlich im Binnenmarkt unmittelbar aus der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit.“

Die deutsche Rechtsprechung hat daher auch mittlerweile ihren Kurs geändert; im BGH-Urteil vom 13.03.2003, Az. VII ZR 370/98, wurde eine nach niederländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft als solche anerkannt. Dies gilt allerdings nur innerhalb der EU unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit; Am 27.10.2008 urteilte der BGH in der Sache II ZR 158/06, dass eine AG nach schweizerischem Recht mit Verwaltungssitz in Deutschland weiterhin als Außen-GbR zu behandeln sein.

Insofern ist auch die Sitztheorie weiterhin von Relevanz für die Ermittlung des Gesellschaftsstatuts. Dies kann zu einer Rückverweisung führen: wird etwa eine GmbH nach deutschem Recht wirksam gegründet und verlegt ihren Verwaltungssitz in einen Nicht-EU-Staat, in dem ihr Statut nach der Gründungstheorie beurteilt wird, so hat sie zwar nach deutscher Rechtsaufassung mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ihr Statut geändert, das Recht des Mitgliedsstaates wiederum beurteil sie nach deutschem Recht. In solchen Staaten wäre eine GmbH also als Kapitalgesellschaft anzuerkennen.

Aktuelle Relevanz

Die Frage nach dem Gesellschaftsstatut ist eine grundlegende Frage, die angesichts der Internationalisierung der Wirtschaft sowohl im Bereich der Rechtsprechung als auch neuer Konzepte der Unternehmensgründung zunehmend an Relevanz gewinnt.