Erfolgt eine Spaltung eines Rechtsträgers, so wirkt sich dies auf die einem Gläubiger der Gesellschaft haftende Masse aus. Die Geltendmachung seiner Ansprüche kann sich für ihn erheblich verkomplizieren.
Nach Art. 146 der EU-Richtlinie RL 2017/1132 müssen die Mitgliedsstaaten ein wirksames Schutzsystem für Gesellschaftsgläubiger im Spaltungsfall vorsehen. Dieses muss angemessene Sicherheitsleistungen vorschreiben, die die Ansprüche der Gläubiger sichern. Fraglich ist, wie sich allgemeine Rechtsschutzmöglichkeiten der Gläubiger wie die actio pauliana zum Rechtsschutz bei der Spaltung von Rechtsträgern verhalten, wann also auf diese zurückgegriffen werden darf und wann sie durch speziellere Rechtsschutzmöglichkeiten verdrängt werden. Die actio pauliana ist im italienischen Recht folgendermaßen ausgestaltet:
Art. 2901 del Codice Civile: „Il creditore […] può domandare che siano dichiarati inefficaci nei suoi confronti gli atti di disposizione del patrimonio con i quali il debitore rechi pregiudizio alle sue ragioni, quando […] il debitore conoscesse il pregiudizio […] inoltre […] il terzo fosse consapevole del pregiudizio […].
Sie richtet sich im Allgemeinen gegen vorsätzliche Verminderungen der Haftungsmasse; ein Gläubiger kann einem Dritten gegenüber geltend machen, dem der Schuldner in eben dieser Absicht Vermögen übertragen hat, dass diese Übertragung dem Gläubiger gegenüber unwirksam ist, sodass das übertragene Vermögen weiterhin haftet, sofern auch der Dritte davon wusste. Dies lässt sich dem zugrunde liegenden Gedanken nach auch auf das haftende Vermögen bei Gesellschaften anwenden, wenn Vermögen auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen wird, wie Generalanwalt Szpunar beim EuGH in seinem Schlussvortrag in der Sache C-394/18 ausführte.
Mit einem solchen Fall der actio pauliana, also einer Anfechtungsklage von (Dritt-)Gläubigern einer Gesellschaft gegen einen Spaltungsbeschluss, hat sich der EuGH nämlich in einem Urteil vom 30.01.2020 beschäftigt:
EuGH (Zweite Kammer) C-394/18
(Anmerkung: das Urteil beruht auf den Art. 12, 19 der älteren Richtlinie RL 82/891/EWG, die durch die RL 2017/1132 ersetzt wurde und in dieser Sache keine wesentlichen Unterschiede aufweist).
Im Fall, der vom EuGH entschieden wurde, war die Beklagte eine società a responsabilità limitata (SRL), eine Kapitalgesellschaft nach italienischem Recht, die der deutschen GmbH ähnelt. Streitgegenständlich war, ob den Gläubigern das besagte außerordentliche Klagerecht neben den gesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten einzuräumen ist, wenn sie von den Rechtsschutzmöglichkeiten nach nationalem Recht keinen Gebrauch gemacht haben. Insoweit stellt sich auch die Frage, welche Anforderungen an ein Richtlinienkonformes Schutzsystem zu stellen sind und wann sich die Gläubiger darauf verweisen lassen müssen.
Der EuGH hat geurteilt, dass die Gläubiger der SRL eine actio pauliana erheben können; diese ist, dem Gesetzeswortlaut entsprechend, nicht auf die absolute Unwirksamkeit des Spaltungsbeschlusses gerichtet, sondern nur darauf, dass er den Klägern nicht entgegengehalten werden kann (relative Unwirksamkeit). Die spezielleren Gläubigerschutzvorschriften in Umsetzung der Spaltungsrichtlinie (nach italienischem Recht haben die Gläubiger bei einer Spaltung eine befristete Widerspruchsmöglichkeit) verdrängt die Möglichkeit der actio pauliana nicht.
Die Klage nach Art. 2901 hat insofern eine andere Stoßrichtung als der Gläubigerschutz bei Spaltung, als sie auf betrügerisches Verhalten abzielt, während die Widerspruchsmöglichkeit die Rechtsunsicherheit begrenzen soll, die dem Gläubiger entsteht, wenn ein Schuldnerwechsel stattfindet, ohne dass er selbst darauf Einfluss hat. Wegen dieser unterschiedlichen Anwendungsbereiche verhalten sich beide Rechtsschutzmöglichkeiten nicht exklusiv zueinander.
Es würde zudem auch dem Zweck der Richtlinie widersprechen, die actio pauliana für verdrängt zu erklären, da sie eine effektive Ergänzung des gewollten Rechtsschutzes für ihren speziellen Anwendungsbereich darstellt.
Wir nehmen dieses Urteil nun zum Anlass, diese Frage einmal hypothetisch nach deutschem Recht zu beleuchten.
Die Möglichkeit einer actio pauliana, die der nach Art. 2901 des italienischen Codice Civile entspricht, ergibt sich im deutschen Recht aus § 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG). Ihre Voraussetzungen gleichen sich im Wesentlichen, mit einer ganz entscheidenden Ausnahme: Nach § 2 AnfG steht das Klagerecht nur demjenigen zu, der bereits vor Gericht einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner erwirkt hat und der auch bei Zwangsvollstreckung keine volle Befriedigung erlangt hat (oder voraussichtlich nicht erlangen wird).
Somit wird sich die Frage der Anspruchskonkurrenz im Spaltungsfall meist nicht stellen. Die actio pauliana ist in deutschen Recht als Maßnahme zur Vervollständigung der Zwangsvollstreckung ausgestaltet, damit diese, wann immer möglich, volle Befriedigung gewähren kann. Die italienische actio pauliana ist eher eine präventive Rechtsschutzmöglichkeit, die vor der Vollstreckung angewendet wird, um die Haftungsmasse zu sichern.
Sehen wir uns zur Vervollständigung noch an, wie der von der Richtlinie geforderte Gläubigerschutz im deutschen Recht umgesetzt ist.
Wird ein Rechtsträger in zwei andere aufgespalten, sind die zwei neugebildeten Rechtsträger seine Rechtsnachfolger; die Situation ist mit der einer Erbengemeinschaft vergleichbar. Sie haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner, wie sich aus §§ 133 Abs. 1, 134 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ergibt. Den Gläubigern geht also in keinem Fall Haftungsmasse unmittelbar verloren.
Zur Sicherung der Gläubiger ordnet § 133 Abs. 1 UmwG zunächst eine gesamtschuldnerische Haftung aller an der Spaltung beteiligten Rechtsträger, also sowohl des übertragenden als auch der übernehmenden Rechtsträger an. Den Gläubigern stehen also mehr Schuldner zur Verfügung, was in etwa der Lage bei einem Schuldbeitritt entspricht, der eine typische Sicherheitsleistung ist.
Zudem verweist § 133 Abs. 2 auf § 125 UmwG, der die Vorschriften über die Verschmelzung auf Spaltungen für entsprechend anwendbar erklärt. Somit ist auch § 22 UmwG anwendbar, der den Gläubigern einen allgemeinen Anspruch auf Sicherheitsleistung für ihre Ansprüche gewährt (soweit sie nicht Befriedigung verlangen können – die Erfüllung bereits fälliger Ansprüche hat also Vorrang). Hierzu müssen sie beim für die schuldenden Rechtsträger zuständigen Registergericht ihr Ansprüche anmelden und glaubhaft machen, dass ihre Ansprüche durch die Spaltung tatsächlich gefährdet sind. Diese Bedingung ist dem Wortlaut der Richtlinie nach zulässig, da auch hier darauf abgestellt wird, ob „die finanzielle Lage der Gesellschaft […] einen solchen Schutz erforderlich mach[t]“. Eine Begrenzung auf Fälle, in denen die Sicherheitsleistungen erforderlich scheinen, ist also ohne weiteres möglich – fraglich bleibt nur, ob man dem Gesellschaftsgläubiger hierfür die Beweislast auferlegen kann, wie es § 22 UmwG tut. Zumindest dürften an die Glaubhaftmachung der Gefährdung bei europarechtskonformer Auslegung der Vorschrift keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein.