BGH: Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis eines Komplementärs

Der BGH hat sich in einem Urteil vom 13.10.2020 (Az. BGH II ZR 359/18) mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis eines Komplementärs zu stellen sind.

Die Kommanditgesellschaft ist von ihrem Grundkonzept her als Personengesellschaft ausgestaltet. Entsprechend diesem Konzept sollen persönlich haftende Gesellschafter die Geschäfte führen, die beschränkt haftenden Kommanditisten sind nach § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Der Komplementär einer Kommanditgesellschaft übernimmt von Gesetzes wegen die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft. Im Gegenzug dazu haftet er für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich.

Sachverhalt

Die Vorinstanzen der Revisionsentscheidung waren das KG und LG Berlin. Die Klägerin war Kommanditistin einer GmbH & Co. KG, die einen Immobilienfonds betrieb. Der Gesellschaftsvertrag enthielt dabei folgende streitentscheidende Regelungen:

  1. Nach § 11 des Vertrages war die Gesellschafterversammlung für Änderungen des Vertrages zuständig.
  2. Nach § 13 des Vertrages konnten alles Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

Im Jahr 2016 fasste die Gesellschafterversammlung einen Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrages. Nach § 7 neuer Fassung sollte die Gesellschafterversammlung der Komplementärin jederzeit ohne Angabe von Gründen die Geschäftsführungsbefugnis entziehen können.

Die Beklagte war die Komplementärin der Gesellschaft, eine GmbH, die zugleich als Versammlungsleiterin fungierte und den Beschluss für unwirksam erklärte. Auf derselben Versammlung verweigerte die Versammlung auch die Genehmigung des Jahresabschlusses und die Entlastung der Geschäftsführung wegen eines eigenmächtig geschlossenen Kooperationsvertrages mit einer Drittfirma.

Die Klägerin beantragte, den satzungsändernden Beschluss für wirksam zu erklären, hilfsweise, der Beklagten die Geschäftsführungskompetenz zu entziehen. Die Klägerin veräußerte, während die Sache rechtshängig war, ihren Kommanditanteil.

Entscheidung und Gründe

Das KG hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Die Beklagte beantragte im Revisionsverfahren, die Berufung zurückzuweisen. Der BGH gab der Revision teilweise statt. Maßgeblich waren folgende Gründe:

  1. Die Veräußerung des Kommanditanteils durch die Klägerin schadet nicht, wie sich aus § 265 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO ergibt. Der BGH verwies auf ein Urteil vom 11.02.1960 (Az. II ZR 198/59), in dem bereits gestgestellt worden war, dass speziell auch die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils während der Rechtshängigkeit den laufenden Prozess nicht berührt.
  2. Der Beschluss, der die Möglichkeit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis eines Komplementärs durch die Gesellschafterversammlung einräumen sollte, ist wirksam. Zwar ergibt sich aus §§ 161, 119 HGB grundsätzlich ein Einstimmigkeitserfordernis, dieses ist allerdings vollständig dispositiv. Da die Satzung eine Beschlussfassung stets mit einfacher Mehrheit vorsieht, war die Beschlussfassung wirksam.
  3. Nicht tragfähig ist die Auffassung der Beklagten, dass die Geschäftsführungsbefugnis eines Komplementärs ein Sonderrecht im Sinne von § 35 BGB sei, das nur mit ihrer Zustimmung entzogen werden könnte. Ein Rückgriff auf das Vereinsrecht in gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten ist zwar grundsätzlich denkbar, da das Vereinsrecht die allgemeinste Form des Rechts der Personenzusammenschlüsse darstellt. Ein Sonderrecht setzt eine Satzungsklausel voraus, die dieses Recht einer konkreten Person ausdrücklich oder jedenfalls klar erkennbar als solches zuweist. Rechte aus einer Organstellung genügen dem nicht, wie der BGH bereits am 25.10.2016 (Az. II ZR 230/15) festgestellt hatte.
  4. Allerdings handelt es sich bei der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis um ein relativ unentziehbares Recht. Dies hängt mit dem eingangs erläuterten Grundkonzept der Kommanditgesellschaft zusammen, der Komplementär soll grundsätzlich die Geschäfte persönlich führen, für deren ordnungsgemäße Abwicklung er persönlich haftet.

Die Geschäftsführungsbefugnis als relativ unentziehbares Recht

Entscheidend für den Rechtsstreit ist also der Begriff des relativ unentziehbaren Rechtes sowie die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Recht ausnahmsweise enzogen werden kann. Zu den einschlägigen Grundsätzen verwies der BGH unter anderem auf eines seiner Urteile vom 10.10.1994 (Az. II ZR 18/94).

Das Recht wird als relativ unentziehbar bezeichnet, weil es speziell durch die Kommanditisten nicht entzogen werden soll. Dies ergibt sich aus § 164 HGB, da der grundsätzliche Ausschluss der Kommanditisten von der Geschäftsführung leerlaufen würde, wenn sie dem Komplementär seine Rechte ohne weiteres entziehen könnten. Dies führt uns zu einem entscheidenden Punkt im vorliegenden Urteil: ein Entzug der Kompetenzen kann niemals ohne Begründung zulässig sein. Auch wenn der Beschluss mit satzungsgemäßer Mehrheit gefasst wurde und daher grundsärtlich wirksam ist, ist sein Inhalt rechtswidrig. Ein inhaltlich rechtswidriger Beschluss wiederum kann gerichtlich angefochten und für unwirksam erklärt werden. Dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten hat der BGH entsprochen.

Der Entzug eines relativ unentziehbaren Rechtes ist nur dann zulässig, wenn er bereits bei Gründung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen war, wie aus einem Urteil des BGH vom 23.10.1972 (Az. II ZR 31/70) hervorgeht. In solchen Fällen wusste der Komplementär von vornherein, worauf er sich einlässt, und ist im Hinblick auf seine Rechtsstellung nicht einseitig der Gesellschafterversammlung ausgeliefert.

Aus der einschlägigen BGH-Rechtsprechung ergibt sich, dass die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs als relativ unentziehbarem Recht nur rechtmäßig ist, wenn dies aus Gründen des Gesellschaftswohls geboten ist. Auf das Erfordernis der Gebotenheit kommt es dann nicht an, wenn der Komplementär der Entziehung zustimmt.

Das Kriterium der Gebotenheit

Gebotenheit meint, dass keine andere vergleichbar effektive Methode für das Erreichen des angestrebten Zweckes zur Verfügung steht. Vorrangig vor der vollständigen Entziehbarkeit der Befugnisse wird also beispielsweise die satzungsmäßige Festlegung eines Weisungsrechtes im Einzelfall gegenüber dem Komplementär sein. Dies beeinträchtigt ihn weniger stark in seinen Rechten.

Es kann nicht pauschal gesagt werden, welche Gründe dazu führen, dass der Eingriff geboten ist. Es ist vielmehr eine Abwägung der drohenden Beeinträchtigungen anzustellen. Hierbei können rechtliche wie auch wirtschaftliche Aspekte ins Gewicht fallen. Erhält der Komplementär eine Kompensation beziehungsweise kann seinen Geschäftsanteil etwa so verwerten, dass er künftig als Kommanditist beteiligt ist, kann dies die Erforderlichkeitsschwelle senken. Die Beeinträchtigung seiner Rechte ist dann weniger gravierend.

Die Möglichkeit der Umwandlung der Beteiligung in eine Beteiligung als Kommanditist hätte der Komplementärs-GmbH im vorliegenden Fall zugestanden. Allerdings kann dieses Recht nach Gesamtabwägung der Interessen nicht als Kompensation für die entzogenen Rechte betrachtet werden. Die vorgebrachte Einschränkung des Gesellschaftswohls durch einen Kooperationsvertrag sowie die fehlende Zustimmung der Kommanditisten zum Jahresabschluss sind keine solch gravierenden Gründe, dass ein Entzug der Geschäftsführungsbefugnis damit zu rechtfertigen wäre.

Fazit

Bei der Vertretungs- und Geschäftsführungskompetenz eines Komplementärs handelt es sich um relativ unentziehbare Rechte. Die Gesellschafterversammlung kann diese nur begründet und als letztes Mittel entziehen, wenn kein anderes Vorgehen im Sinne des Gesellschaftswohls vertretbar erscheint.

Die Entscheidung im Wortlaut finden Sie hier