Vor einigen Monaten geriet Bäckereiunternehmer Gerhard Bosselmann in die Kritik, als er Angestellten offenbar in einer wütenden Rundmail mit Kündigung drohte falls sie sich krankschreiben lassen würden und dies kurz nachdem er in den sozialen Medien einen Aufruf gestartet hatte, die Bäcker vor Ort in Zeiten von Corona zu unterstützen. Doch bald klärte sich der Vorfall auf. Wie einer Stellungsnahme der Bäckerei zu entnehmen ist, ging es im Vorfeld der Kündigungsdrohung konkret um den Fall, dass ein Mitarbeiter mitgeteilt hatte, dass er auf einer sog. „Corona-Party“ war bei welcher auch eine infizierte Person anwesend war und nun wissen wolle, ob er ein paar Tage frei nehmen könne. Arbeitsrechtlich schließen sich an diesen Fall zwei hochrelevante Fragen an. Zum einen: Hat jemand der sich freiwillig einem erhöhten Risiko an Corona zu erkranken aussetzt, einen Entgeltfortzahlungsanspruch und zum anderen, kämen unabhängig von ersterer Frage in einem solchen Fall tatsächlich arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung in Betracht?
Was sagt das Entgeltfortzahlungsgesetz?
Zunächst zur Frage der Entgeltfortzahlung. Eine Antwort hierauf gibt uns ein Blick in das „Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall“ (kurz: Entgeltfortzahlungsgesetz). § 3 Abs. 1 Satz 1 des EFZG besagt:
„Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.“
Der Begriff des „Verschuldens“
Wichtig ist hier in unserem Falle das Wort „Verschulden“. Bei der Auslegung des Begriffs ist allerdings Vorsicht geboten. So führte etwa das Landesarbeitsgericht des Saarlandes in Berufung auf ein früheres BGH Urteil am 02.07.2003 aus:
“ Verschulden im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG ist aber nicht bereits jedes fahrlässige Verhalten im Sinne von § 276 BGB (…). Schuldhaft im Sinne dieser Vorschrift handelt vielmehr nur, wer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt“
(Az: 2 Sa 147/02).
Einer der wenigen Fälle, in denen dieses Kriterium greift, ist das Praktizieren von Risikosportarten wie dem Boxen. In diesen Fällen liegt seitens des Arbeitnehmers bei Verletzungen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung vor. Übertragen auf die aktuelle Gefährdungslage durch Corona bedeutet dies, dass auch hier nur in besonders risikoreichen Fällen der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt.
Ein solcher Fall läge vermutlich etwa dann vor, wenn sich ein Arbeitnehmer a) wissentlich an einen Ort begiebt, an dem ein außerordentlich hohes Infizierungsrisiko besteht (z.B. eine Feier mit Corona-Infizierten oder einem Urlaubsort, der als Risikogebiet eingeordnet ist und dabei b) auch auf Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken verzichtet. Jedenfalls bei letzterem dürfte ein Nachweis in der Praxis allerdings ausgesprochen schwierig werden, sofern der Arbeitnehmer nicht beispielsweise selbst Bildmaterial veröffentlicht hat, auf dem er ohne Schutzvorkehrungen zu sehen ist.
Können arbeitsrechtliche Maßnahmen erfolgen?
Weiter stellt sich nun die erwähnte Frage, ob wegen der Teilnahme an „Corona-Partys“ oder Reise in ein Risikogebiet arbeitsrechtliche Maßnahmen wie die Kündigung erfolgen dürfen.
Jedoch liegt die Entscheidung, ob sich jemand außerhalb der Arbeit Risiken aussetzt, im Grundsatz alleine bei der Person selbst. Diebesbezügliche Weisungen des Arbeitgebers sind nicht vom Direktionsrecht nach § 106 GewO erfasst. In Betracht kommt alleine eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Dabei muss das Verbot nach den strengen Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB allerdings auch wirksam sein und darf den Arbeitnehmer insbesondere nicht entgegen der Gebote von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligen. Somit ist eine Einzelfallbetrachtung unerlässlich. Als Faustformel gilt: Je wichtiger die Position des Arbeitnehmers, desto eher ist eine arbeitsvertragliche Einschränkung der Freizeitgestaltung zulässig.
Arbeitsrechtliche Maßnahmen bis zur außerordentlichen Kündigung, sofern ein besonders schwerwiegender Fall vorliegt, kommen allerdings dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer es unterlässt, den Arbeitgeber über ein erhöhtes Risiko der Erkrankung und der damit einhergehenden Ansteckungsgefahr zu informieren oder gar eine Infektion wissentlich verschweigt und damit andere Mitarbeiter einem Gesundheitsrisiko aussetzt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen; Zwar steht der Arbeitgeber wie gezeigt nicht in jedem Fall schutzlos dar, jedoch dürfte es im Regelfall in der Rechtspraxis schwierig werden, die Entgeltfortzahlung zu verweigern oder arbeitsrechtliche Maßnahmen wie die Kündigung auszusprechen.