BFH: Zuteilung ausländischer Aktien als Kapitaleinkünfte

Kapitaleinkünfte sind nach § 20 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) als Einkommen zu versteuern. Ein klassischer Fall der Gewinnerzielung durch Kapitaleinkünfte sind Dividendenzahlungen für gehaltene Aktien eines Unternehmens. Schwieriger wird es, wenn anstelle einer Dividendenzahlung in Geld die Zuteilung neuer Aktien eines durch Spaltung neu geschaffenen Rechtsträgers nach dem Recht eines anderen Staates, etwa einem spin-off nach US-amerikanischem Gesellschaftsrecht, geleistet wird. Der Bundesfinanzhof hat sich in einem Urteil vom 19.10.2021 (Az. VIII R 7/20) mit einem solchen Fall befasst.

Sachverhalt

Kläger in der Hauptsache war ein steuerlich gemeinsam veranlagtes Ehepaar. Beklagte war das zuständige Finanzamt. Streitgegenstand war die steuerrechtliche Behandlung neu zugeteilter Aktien eines US-amerikanischen Unternehmens.

Die Generalversammlung der in den USA ansässigen A-Inc. beschloss 2012 die Ausgliederung eines Teils des Unternehmens auf die neu zu gründende Kapitalgesellschaft B-Inc. Im gleichen Zuge änderte die A-Inc. ihre Firmenbezeichung zu C-Inc. Um die Beteiligungsverhältnisse an der A entsprechend abzubilden, legte der Beschluss fest, dass alle Aktionäre der A neue Aktien der B im Verhältnis 3:1 zugeteilt bekommen sollten. Die Beteiligung an der A änderte sich nicht, da sie die Ausgliederung aus Gewinnrückstellungen (retained earnings) finanzierte und in der C somit keine Herabsetzung des Stammkapitals erfolgte. Die Kläger hielten zum Zeitpunkt des Beschlusses gemeinsam 375 Aktien der A und erhielten einen entsprechenden Anteil an den von Gewinnrückstellungen neu geschaffenen Aktien der B zugeteilt.

Das Finanzamt stellte den Klägern am 26.07.2013 einen Bescheid über die Festsetzung der Einkommenssteuer zu, in dem es die zugeteilten Aktien der B als „sonstige Bezüge“ im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 2 EStG einstufte und als zu versteuernden Gewinn anrechnete. Die Kläger legten erfolglos Widerspruch ein und erhoben daraufhin Klage beim FG Baden-Württemberg, das die Klage mit einem Urteil vom 30.11.2018 abwies (Az. 13 K 3111/18). Der BFH gab der Revision der Kläger statt und hob das Urteil des FG auf.

Sachdividende oder Einlagenrückgewähr

Das FG hatte in seinem Urteil ausgeführt, dass die Einordnung von Aktien maßgeblich davon abhängt, aus welchen Mitteln die Schaffung (Einlagezahlung) der Aktien finanziert wird. Grundsätzlich sind dabei zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

1. Herabsetzung des Grundkapitals: Wenn die Aktien der B neu geschaffen werden, muss zunächst deren Einlage geleistet werden. Hätte nun die A ihr Grundkapital reduziert, wäre eine Einlagenrückgewähr an die Aktionäre fällig geworden. Diese kann, wie eine Dividendenzahlung, auch als Sachleistung erfolgen. Die Zuteilung von Aktien stellt eine solche Sachleistung dar; wenn die A also die B gegründet hätte, indem sie deren Grundkapital auf Kosten ihres eigenen Grundkapitals aufgebracht hätte, so wäre die Zuteilung der neuen Aktien an die Stelle der Einlagenrückgewähr getreten. Das aus der A entfernte Grundkapital wäre nun das Grundkapital der B. Eine Einlagenrückgewähr stellt keinen Gewinn dar und wäre dementsprechend nicht zu versteuern. Ausgenommen hiervon wären nur solche Wertzuwächse, die durch eine Erhöhung des Grundkapitals aus Gewinnrücklagen zustande gekommen wären (diese würden Gewinn darstellen, machten allerdings im vorliegenden Fall den kleinsten Teil des Aktienwertes aus).

2. Vollständige Neuausgabe von Aktien: Steht anderes Kapital zur Verfügung als das Grundkapital der A, kann sie die Einlagen zugunsten der B hiervon zahlen und die Aktien aus Aktionärssicht „kostenlos“ ausgeben (da die Einlage abgegolten wäre). Gewinnrückstellungen, die nicht ins Grundkapital überführt werden (hier die retained earnings), stellen eine solche andere Kapitalquelle dar. Da hier allerdings de facto auf Gewinne des Unternehmens zurückgegriffen wird, um den Aktionären einen geldwerten Vorteil (die neuen Aktien) zukommen zu lassen, ist der Vorgang funktional betrachtet als Gewährung einer Sachdividende zu betrachten. Sachdividenden sind, wie Dividendenzahlungen in Bar, mit ihrem Wert als „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ im Sinne von § 20 EStG zu bewerten und somit nach § 32d EStG zu versteuern.

Das FG war der zweiten, vom Finanzamt vorgebrachten Auffassung gefolgt und hatte daher die Klage zurückgewiesen. Die Festsetzung der Einkommenssteuer mit dem Kapitalertragssteuertarif nach § 32d EStG sei rechtmäßig erfolgt, da die Zuteilung der Aktien eine Sachdividende darstelle. Es hatte ausdrücklich anerkannt, dass die Aktienausgabe durch ausländische Gesellschaften entsprechend der Fallgruppe 1 steuerfrei ist. Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG i.V.m. § 27 KStG: eine ausländische Gesellschaft führt grundsätzlich kein inländisches Einlagenkonto nach § 27 KStG. Inländische Gesellschaften sind zur Führung eines solchen Kontos verpflichtet, daher ist dieses Kriterium zur Unterscheidung in- und ausländischer Gesellschaften tauglich (der Eintragungsort ist wegen der von der deutschen Rechtsprechung angewendeten Theorie des effektiven Verwaltungssitzes weniger eindeutig). Ausschüttungen einer solchen Gesellschaft sind dann steuerfrei nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, wenn ein funktionsäquivalenter Sachverhalt im deutschen Recht zur Steuerfreiheit führen würde (BFH VIII R 47/13, 13.07.2016). Der spin-off einer US-amerikanischen Incorporation ist einer Spaltung nach § 123 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) nur eingeschränkt äquivalent. Eine Aktiengewährung bei einer solchen Spaltung ist nur dann nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG steuerfrei, wenn sie durch eine Kapitalherabsetzung der ursprünglichen Gesellschaft finanziert wird. Eine Finanzierung durch Gewinnrücklagen stellt effektiv eine Ausschüttung dieser Gewinne an die Aktionäre dar.

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BFH: ausländisches Recht maßgeblich

Die Kläger indes hatten vorgebracht, dass das US-amerikanische Recht die Aufspaltung als steuerlich neutral behandele. In den USA hänge die steuerliche Behandlung dieser Strukturmaßnahme nicht davon ab, ob die Schaffung der neuen Aktien aus Grundkapital der aufspaltenden Gesellschaft oder aus retained earnings finanziert werde. Die Rechtslage in den USA allein sei dafür maßgeblich, wie der Sachverhalt in Deutschland zu bewerten sei. Nur diejenigen Gewinnausschüttungen, die auch nach amerikanischem Recht als solche gelten, können in Deutschland als solche besteuert werden. Diese Auffassung entsprach der ständigen Rechtsprechung des BFH seit einem Urteil vom 20.10.2010 (Az. I R 117/08). Untermauert werde diese Auffassung zudem vom Urteil vom 13.07.2016 (Az. VIII R 47/13), indem der BFH feststellte, dass das deutsche Finanzamt keine Zahlungen als Gewinnausschüttungen werten könne, die nach ausländischem Recht keine sind, da dies gegen Europarecht verstoße. Diese Rechtsprechung gilt sowohl für Sachverhalte mit EU- als auch mit Drittstaatsbezug, da ihr Zweck der europaweit einheitliche Schutz von Privatanlegern ist. Demnach ist es geboten, die Frage nach Gewinnausschüttung oder Einlagenrückgewähr ausschließlich nach amerikanischem Recht zu beurteilen.

Der BFH begründete dies mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV. Diese ist eine der Grundfreiheiten in der europäischen Union und erfasst grundsätzlich sämtliche Zahlungsströme innerhalb der EU. Die Kapitalverkehrsfreiheit schlägt allerdings auch auf das Verhältnis zu Drittstaaten durch, da ansonsten einzelne Mitgliedsstaaten die Investitionsvorhaben von europäischen Unternehmen und Privatanlegern unverhältnismäßig erschweren könnten. Damit für alle in der EU ansässigen Investoren gleiche rechtliche Bedingungen gelten, ist die Klassifikation von Zahlungsströmen nach dem Recht des entsprechenden Drittstaates vorzunehmen. Dies enspricht der ständigen EuGH-Rechtsprechung (EuGH C-338/11 bis C-347/11).

Die US-amerikanische Rechtslage zu ermitteln, obliegt nach § 155 FGO i.V.m. § 293 ZPO dem Finanzgericht von Amts wegen. An Indizien lag die Einstufung der zuständigen amerikanischen Steuerbehörde vor, die den Vorgang als steuerneutrale Strukturmaßnahme wertete. Dieser Bescheid ist für das FG zwar nicht bindend, allerdings müsste es eine abweichende Auffassung anhand amerikanischen Rechtes begründen. Da keine weitere Ermittlung der amerikanischen Rechtslage erfolgt ist, ist der Bescheid der Steuerbehörde als gewichtiges Indiz für die Steuerfreiheit der Spaltung anzusehen. Das Finanzamt muss sich also die Auffassung entgegenhalten lassen, dass der Aktienerwerb im Rahmen einer steuerneutralen Strukturmaßnahme erfolgte und der Wert der erworbenen Aktien der B somit nicht auf den steuerbaren Gewinn anrechenbar ist.

Relevant ist zudem noch die Feststellung, dass es keine Probleme im Hinblick auf das Besteuerungsrecht Deutschlands gibt. Das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – USA weist das Besteuerungsrecht auf die Gewinne in Deutschland ansässiger Aktionäre von US-Gesellschaften Deutschland zu (und umgekehrt). Die Besteuerung des entsprechenden Kapitalstroms fällt also grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des deutschen Finanzamtes. Dieses ist allerdings an das Recht der USA gebunden, soweit es um die Qualifikation des Aktienerwerbes als Einkunft aus Kapitalvermögen oder als Einlagenrückgewähr geht. Denn nur erstere sind steuerbarer Gewinn.

Fazit

Erhalten Aktionäre bei einer Spaltung nach § 123 UmwG oder einer vergleichbaren Strukturmaßnahme eines ausländischen Unternehmens Aktien des neuen Rechtsträgers, so hängt deren Qualifikation als Sachdividende oder Einlagenrückgewähr davon ab, ob die Finanzierung durch die Verwendung von Grundkapital oder von Gewinnrücklagen des aufspaltenden Rechtsträgers erfolgt. Dabei ist das Finanzamt allerdings an die ausländische Rechtslage gebunden, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein EU-Mitglied oder einen Drittstaat handelt. Dies hängt damit zusammen, dass die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 56, 63 AEUV nicht nur Kapitalströme innerhalb der EU schützen will, sondern auch sämtlichen in der EU ansässigen Investoren einen gleichen rechtlichen Rahmen für Drittstaatsinvestitionen gewährt. Dies wird dadurch sichergestellt, dass jeder Investor aus der EU nach den Maßstäben des Staates, in dem er investiert, Gewinne ausbezahlt bekommt. Lediglich das, was der Drittstaat als Kapitaleinkunft qualifiziert, ist im Inland steuerbarer Gewinn.