BGH: Entlastung einer Komplementärs-GmbH

Die Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft entlastet die Komplementäre per Beschluss, wenn sie mit ihrem geschäftlichen Handeln einverstanden ist. Die Entlastung garantiert den Komplementären, dass sie keinen Ersatzansprüchen wegen ihrer Geschäftsführertätigkeit mehr ausgesetzt sind. Das gleiche Prozedere findet in Kapitalgesellschaften statt, in denen die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung entlastet.

In der Praxis fungiert nicht selten eine GmbH als Komplementärin einer KG (sogenannte GmbH & Co. KG). In dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob der Entlastungsbeschluss der Kommanditisten nur die GmbH als solche, oder auch deren Geschäftsführer entlastet. Zweiteres mag speziell dann intuitiv erscheinen, wenn der Zweck der GmbH ausschließlich darin liegt, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen. In diesem Falle erscheint es fernliegend, dem GmbH-Geschäftsführer weitere Sorgfaltspflichten ohne Bezug zur KG aufzuerlegen. Der BGH hat am 22.09.2020 in einem Urteil über diese Frage entschieden:

BGH II ZR 141/19

Die Klage wurde in erster Instanz beim LG Frankfurt a.M. erhoben, das sie zurückwies. Die Berufung des Klägers vor dem OLG Frankfurt a.M. hatte Erfolg. Mit dem Urteil gab der BGH dem Revisionsantrag der Beklagten statt.

Der Kläger war Kommanditist der KG, deren Zweck in der Verwaltung, insbesondere Vermietung, von Immoblien lag. Die Klage war gegen insgesamt fünf Beklagte gerichtet, von denen vier ebenfalls Kommanditisten und eine die Komplementärs-GmbH war. Der Beklagte zu 1 war bis 2008 gemeinsam mit dem Kläger, ab 2008 allein Geschäftsführer der Komplementärs-GmbH.

Im Jahr 1999 hatte die Geschäftsführung der GmbH einen Verwalter bestellt, dem ab 2006 auch die Buchhaltung übertragen wurde. In diesem Zuge stellte die GmbH-Geschäftsführung ihm auch eine Kontovollmacht aus. 2015 stellte sich heraus, dass der Verwalter seit 2007 Gelder veruntreut hatte. Der Verwalter gab am 21.10.2015 ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis über mehr als 526.000 € an veruntreuten Geldern ab. Es ist insoweit unstreitig, dass der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist.

Der Kläger wirft dem Beklagten zu 1 vor, dass er seiner Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer nicht nachgekommen sei. Er sei in der Pflicht gewesen, den Verwalter zu überwachen. Der Schaden, der der KG entstanden sei, sei somit vom Beklagten zu 1 jedenfalls bis zur Höhe von ca. 487.000 € zu vertreten und er müsse entsprechenden Schadensersatz leisten.

Der Beklagte zu 1 wendet ein, dass seiner Inanspruchnahme Entlastungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der KG entgegenstünden. Der Kläger beantragte, die entsprechenden Beschlüsse für unwirksam zu erklären.

Problemstellung

Nach § 8 der Satzung der KG kann die Gesellschafterversammlung alle Beschlüsse, die nicht zur Auflösung der Gesellschaft oder der Veräußerung ihrer Immobilien führen, mit einfacher Mehrheit treffen. Die Beklagte zu 5 als Komplementärin war für die betreffenden Geschäftsjahre jeweils durch die Stimmen der Beklagten zu 2 bis 4 entlastet worden. Der Kläger hatte jeweils dagegen gestimmt, der Beklagte zu 1, auch Kommanditist der KG, war vom Stimmrecht ausgeschlossen, weil mittelbar über seine persönliche Entlastung als Geschäftsführer der GmbH abgestimmt wurde.

Streitgegenständlich sind insofern im Wesentlichen Folgende Punkte:

  1. Ob der KG direkte Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 zustehen, der ja nur innerhalb der Beklagten zu 5 Geschäftsführungskompetenzen innehatte. Nur wenn direkte Ansprüche bestehen, kommt es auf die Möglichkeit der Entlastung in diesem Verhältnis an.
  2. Wenn dies der Fall ist, kommt es darauf an, ob die Entlastungsbeschlüsse in konkreten Fall wirksam sind.

Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der KG

Zum ersten Punkt stellte der BGH fest:

Der KG kann gegen den Beklagten zu 1) ein Direktanspruch auf den Ersatz der Schäden zustehen, die ihr aus dessen mittelbarer Geschäftsführung als Geschäftsführer ihrer Komplementärin entstanden sind […] Jedenfalls dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer KG besteht, erstreckt sich […] seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die KG.“

Der Geschäftsführer der Komplementärs-GmbH haftet der GmbH nach § 43 GmbHG, wenn er ihr unter Verstoß gegen seine spezifische Sorgfaltspflicht einen Schaden zufügt. Ein solcher Schaden kann auch darin liegen, dass sich die GmbH schadensersatzpflichtig macht. Führt der GmbH-Geschäftsführer eine Schadensersatzpflicht der GmbH sorgfaltswidrig herbei, haftet die GmbH als solche im Außenverhältnis, kann aber beim Geschäftsführer Regress nehmen. Den Komplementär trifft dieselbe Sorgfaltspflicht wie den GmbH-Geschäftsführer, insofern werden die jeweiligen Schadensersatzansprüche innerhalb einer GmbH & Co. KG stets identisch sein.

Denkbar ist allerdings, dass der Geschäftsführer Alleingesellschafter der Komplementärs-GmbH ist. Er könnte sich dann im Innenverhältnis selbst entlasten, und der KG verbliebe nur der Zugriff auf das Vermögen der GmbH. Um derartige rechtsmissbräuchliche Konstellationen zu vermeiden, erscheint es naheliegend, die Ansprüche der KG auf den Geschäftsführer der GmbH durchgreifen zu lassen. Die Interessen der Kommanditisten können auf diese Weise gewahrt werden, aufseiten des GmbH-Geschäftsführers steht dem kein schutzwürdiges Interesse entgegen.

Aus diesen Erwägungen erscheint es interessengerecht, einen direkten Anspruch der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementärs-GmbH zuzulassen. Einen solchen Anspruch hatte der BGH etwa bereits in früheren Urteilen (Az. II ZR 174/77 und II ZR 213/77) so gesehen. Im Umkehrschluss gilt dann selbstverständlich: die Gesellschafterversammlung der Komplementärs-GmbH kann ihren Geschäftsführer der KG gegenüber nicht entlasten, da es sich um Ansprüche der KG handelt.

Wirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse

Da es sich bei den Ansprüchen gegen den GmbH-Geschäftsführer also um originär der KG zustehende Ansprüche handelt, kann sie auf diese auch verzichten. Insofern ist anzunehmen, dass ein wirksamer Entlastungsbeschluss ihrer Gesellschafterversammlung unmittelbar den GmbH-Geschäftsführer entlastet.

Somit kommt es hier auf die Frage an, ob die Entlastungsbeschlüsse der KG-Gesellschafterversammlung wirksam waren.

Der BGH befand die Beschlüsse für formell rechtmäßig. Sie wurden mit der Zustimmung von drei der fünf Kommanditisten (Kläger, Beklagte zu 1 bis 4) gefasst. Die Satzung der KG hatte die Beschlussfassung in dieser Sache mit einfacher Mehrheit wirksam festgelegt. Auch sonst waren keine Fehler im Beschlussfassungsverfahren ersichtlich, insbesondere war der Stimmrechtsausschluss des Beklagten zu 1 wegen einer Entscheidung über seine eigene Entlastung beachtet worden (er wäre hier zudem nicht einmal ausschlaggebend gewesen).

Das Berufungsgericht hatte allerdings festgestellt, dass der Beschluss von den Beklagten zu 2 bis 4 treuwidrig gefasst wurde. Dem Beklagten zu 1 fielen demnach so gravierende Verstöße zur Last, dass sich der Verzicht auf die Schadensersatzansprüche durch die Kommanditisten nur als schädigendes Verhalten gegenüber der Kommanditgesellschaft darstellen könne. Dies stelle einen Verstoß gegen ihre Treuepflicht dar. Die Beschlüsse waren daher wegen materieller Rechtswidrigkeit vom Berufungsgericht für unwirksam erklärt worden.

Diese Feststellung hielt der Nachprüfung durch den BGH nicht stand:

Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Feststellung […], den Beklagten zu 1) treffe eine gravierende Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten, weswegen die Beklagten zu 2) bis 4) die Komplementär-GmbH nicht als Geschäftsführerin der KG hätten entlasten dürfen, ohne zugleich gegen ihre gesellschaftliche Treuepflicht zu verstoßen.

Dem Berufungsgericht zufolge ergab sich die Treuwidrigkeit der Entlastung also daraus, dass das Verschulden des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer so schwer wiege, dass eine Entlastung mit den Interessen und der Zielsetzung der Gesellschaft vollkommen unvereinbar sei.

Haftungmaßstab

Zunächst ging der BGH auf die Frage nach dem Haftungsmaßstab ein. Da der Beklagte zu 1 zugleich Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementärs-GmbH war, kamen hier grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht. Ein Kommanditist hat nach §§ 708, 277 BGB nur für die Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten walten lässt. Der GmbH-Geschäftsführer hingegen hat nach § 43 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, einen deutlich strengeren Sorgfaltsmaßstab. Nach Ansicht des BGH haftet der Beklagte zu 1 sowohl der GmbH als auch der KG gegenüber nach § 43 GmbHG, was angesichts der bereits zur Anspruchsentstehung getroffenen Erwägungen (er ist „effektiver Geschäftsführer“ der KG) konsequent ist. In den Worten des BGH:

Ein einheitlicher Haftungsmaßstab für die Haftung des Geschäftsführers der Komplementärin gegenüber dieser und gegenüber der KG entspricht der für den Geschäftsführer ohne Weiteres erkennbaren Interessenlage der beteiligten Gesellschaften.

Anhand des Haftungmaßstabes lässt sich auch die Schwere des Verschuldens im Hinblick darauf beurteilen, ob eine Entlastung des Beklagten zu 1 unter Wahrung der Treuepflicht tatsächlich nicht möglich ist.

Die konkrete Handlung, die der Beklagte zu 1 gegenüber der Gesellschaft vertreten muss, ist die Unterlassung der hinreichenden Überwachung des Verwalters. Hier fällt allerdings insbesondere ins Gewicht, dass der Beklagte zu 1 den Verwalter weder durch alleinige Entscheidung bestellt, noch ihm die Kontovollmacht eingeräumt hat. Die Bestellung erfolgte 1999, die Vollmachterteilung 2007. Zu dieser Zeit war der Kläger selbst ebenfalls Geschäftsführer. Dass er sein Amt eigenverantwortlich niedergelegt hat, könnte man dem BGH zufolge unter Umständen als freiwillige Reduktion der Kontrolle deuten.

Beweislast als streitentscheidender Faktor

Auch dies lässt sich allerdings nicht pauschal annehmen. Vielmehr ist dieser Sachverhalt – die Kontrolle des Verwalters – näher zu untersuchen. Eine Treuwidrigkeit der Entlastung kann sich hieraus ergeben, muss es aber nicht. Entscheidend war in diesem Fall folgender Irrtum des OLG: es nahm eine Beweislast des Beklagten zu 1 an. Dies hat zur Folge:

[…] hat das Berufungsgericht verkannt, dass der Kläger keinen Haftungsprozess führt, sondern die Unwirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse festgestellt wissen will. In diesem Fall liegt die Beweislast aber so, dass derjenige, der behauptet, ein Beschluss stelle sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit dar, dies bis auf hier nicht vorliegende Ausnahmefälle zu beweisen hat

Es obliegt also dem Kläger, für den behaupteten schwerwiegenden Mangel an Kontrolle Beweise beizubringen. Die gegenwärtigen Feststellungen zum Sachverhalt genügen nicht, um die Treuwidrigkeit der Entlastung zu beweisen.

Der BGH hat die Sache nach § 563 Abs. 3 ZPO für nicht entscheidungsreif befunden und nach §§ 562, 563 ZPO an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Fazit

Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG haftet der KG gegenüber nach dem Maßstab des § 43 GmbHG, wenn der Zweck der GmbH nur oder überwiegend die Geschäftsführung in der KG ist. Daher können die Gesellschafter der KG ihn auch entlasten. Ein Entlastungsbeschluss kann treuwidrig sein, wenn er als Missbrauch der Mehrheitsmacht zu betrachten ist. Hier ist allerdings zu beachten, dass der den Beschluss anfechtende Gesellschafter die Beweislast für die Treuwidrigkeit trägt.