Rückforderung der Einlage bei Anordnung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen – Rang im Insolvenzverfahren (BGH)

Wird über das Vermögen einer Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, wird die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert. In der Liquidation werden vorrangig Forderungen bedient, die nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis als solchem, sondern aus anderweitig begründeten Rechtsverhältnissen stammen. Insbesondere Forderungen aus Verträgen mit Dritten haben also Vorrang vor der Einlagenrückgewähr an die Gesellschafter – diese kann erst erfolgen, wenn alle Gläubiger befriedigt sind.

Im Einzelfall kann es aber streitig sein, ob eine bestimmte Forderung gesellschaftsrechtlicher Art ist oder als Drittverbindlichkeit zu betrachten ist. Einen solchen Fall hat der BGH in einem Urteil am 26.08.2020 entschieden:

BGH II ZR 174/19

Die Beklagte war Gesellschafterin einer GbR, die unter Verstoß gegen § 32 des Kreditwesengesetzes (KWG) ohne Erlaubnis gewerblich Finanzdienstleistungen erbracht hat. Die Verwaltung der von den Gesellschaftern gezahlten Einlagen war dabei zentraler Bestandteil der erlaubnispflichtigen, hier rechtswidrig ausgeübten Tätigkeit.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) hat daraufhin nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 KWG angeordnet, dass der Finanzdienstleistungsbetrieb einzustellen und die zu diesem Zweck eingezahlten Einlagen zurückzuzahlen seien.

Kurz nach dieser Anordnung wurde das Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet, sodass nicht nur eine Liquidation des verbotenen Finanzdienstleistungsbetriebes, sondern des gesamten Gesellschaftsvermögens erforderlich war. Die Mittel der Gesellschaft deckten ihre Drittverbindlichkeiten nicht ab, sodass die Gesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagenrückforderungen definitiv leer ausgehen würden.

Der Insolvenzverwalter verklagte im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Beklagte auf einen ausstehenden Teil ihrer Einlageverpflichtung. Die Beklagte machte per Widerklage den Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des bereits geleisteten Teils geltend und hielt auch der Klage des Insolvenzverwalters diesen Rückforderungsanspruch entgegen. Sie stützte sich also in beiden Punkten auf den Rückforderungsanspruch, der ihr infolge der Anordnung der BaFin zustand.

Die streitentscheidende Frage ist also: ist der Rückforderungsanspruch infolge der Anordnung der BaFin eine eigene Drittverbindlichkeit, oder ist er weiterhin eine gesellschaftsrechtliche Einlagenrückforderung, die in der Liquidation erst nachrangig bedient wird?

Der BGH hat die Frage eindeutig für die zweite Variante entschieden. Die Gesellschafter haben nicht dadurch ein höheres Interesse an der Rückgewähr ihrer Einlagen, dass ihr Betrieb durch Anordnung der BaFin geschlossen wurde – dies würde in vielen Fällen rechtswidriges Verhalten privilegieren, nämlich dann, wenn ein Gesellschafter weiß, dass er sich an einem rechtswidrigen Geschäft beteiligt. Weiß der Gesellschafter hiervon nichts, kommen regressweise Schadensersatzansprüche gegen die verantwortlichen Gesellschafter bzw. Geschäftsführer in Betracht, nicht aber gegen die Gesellschaft als solche. Auch Schadensersatz kann daher nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden (auch dies hatte die Beklagte in ihrer Widerklage beantragt). Für den einzelnen Gesellschafter jedenfalls ergibt sich wegen der Schließung des Geschäftsbetriebes jedenfalls kein höheres Befriedigungsinteresse als bei der vollständigen Auflösung der Gesellschaft.

Ein weiterer entscheidender Grund, aus dem heraus die Einlagenrückforderung nicht privilegiert werden kann, ist der, dass dies zulasten der Gesellschaftsgläubiger gehen würde. Diese hätten mehr Konkurrenz um die verbleibende Insolvenzmasse. Die fehlende Genehmigung zum Betrieb von Finanzdienstleistungen ist allerdings ein Problem ausschließlich der Gesellschaft selbst, nur sie soll von den Konsequenzen betroffen sein. Die Gläubiger sollen nicht durch rechtswidriges Verhalten der Gesellschaft schlechter stehen.

Dementsprechend wurde die Beklagte zur Leistung ihrer Einlage verurteilt, da diese zur Insolvenzmasse gehört. Ihre Widerklage gegen die Gesellschaft wurde in allen Punkten abgewiesen. Sie muss sich auf die nachrangige Befriedigung als Gesellschafterin nach Bedienung aller Insolvenzforderungen verweisen lassen.