BFH: Steuerlicher Erwerb bei Liquidation eines Trusts

Trusts und Treuhandunternehmen unterscheiden sich in ihrer Beteiligungs- und Vermögensstruktur erheblich von anderen Kapitalgesellschaften, in denen Gewinnbeteiligungen an die Inhaberschaft von Geschäftsanteilen geknüpft sind. Dies wirkt sich nicht nur auf die Gewinnverwendung im laufenden Geschäft, sondern auch auf die Liquidation aus, da das Trustvermögen sich in diesem Fall anders verhält als Einlagekapital (z.B. Stammkapital). Der Bundesfinanzhof hat sich in einem Urteil vom 25.06.2021 (Az. II R 40/18) mit der steuerlichen Behandlung von Vermögensausschüttungen bei der Liquidation eines Trusts auseinandergesetzt.

Sachverhalt

Kläger in der Hauptsache war ein britischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland, Beklagter der Rechtsträger des für ihn zuständigen Finanzamtes. Der Kläger war Beneficiary eines Trusts nach anglo-amerikanischem Common Law. Das Trustvermögen bestand in Anteilen an einer britischen Ltd. sowie in Bargeld. Die Trustees des betreffenden Trusts waren in der Schweiz ansässig. 2006 beschlossen sie, nach Trusturkunde wirksam, die Auflösung und Liquidation des Trusts. Der Kläger verließ Deutschland im Jahr 2008 dauerhaft unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes. Das Liquidationsverfahren zog sich bis ins Jahr 2009, in dem Bargeld und Gesellschaftsanteile an den Kläger übertragen wurden.

Das zuständige Finanzamt stellte dem Kläger 2013 einen Bescheid über die Festsetzung der Schenkungssteuer zu. Zur Begründung wurde angeführt, der Kläger habe mit Beginn des Liquidationsverfahrens als Benficiary das Recht gehabt, Bargeld und Gesellschaftsanteile einzufordern. Mithin sei 2006 ein Erwerb im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Nr. 9, 10 Abs. 1 ErbStG zustande gekommen. Der Kläger wendete ein, dass er erst im Jahr 2009 und mithin nach Ende seiner Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) das Eigentum am Trustvermögen erhalten habe und der Erwerb somit in Deutschland nicht steuerbar sein. Zur Begründung führte er Gerichtsurteile aus Großbritannien an, die seine Ansicht stützten. Da er seinen Wohnsitz 2009 in Großbritannien gehabt habe, sei dies für die Beurteilung des Erwerbs maßgeblich.

Das Finanzamt hatte zunächst den Einspruch des Klägers gegen den Schenkungssteuerbescheid zurückgewiesen. Seine daraufhin vor dem zuständigen Finanzgericht erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG war im Wesentlichen seiner Argumentation gefolgt, da es den Erwerb als 2009 erfolgt betrachtete. Das FA war hiergegen in Revision gegangen und hatte vom BFH recht bekommen.

Struktur und Funktion eines Trusts

Die Rechtsfigur des Trusts ist dem deutschen Recht prinzipiell unbekannt. Ein Trust lässt sich am ehesten als ständiges Treuhandverhältnis beschreiben, auch dies wird der Sache allerdings nicht gerecht. Der Trust hat seine Wurzeln im englischen Common Law und hat in einige Zivilrechtsordnungen in Kontinentaleuropa Eingang gefunden. Zu nennen ist hier das Treuunternehmen nach dem Recht von Liechtenstein. An diesem Beispiel lässt sich auch ein Spezifikum des Trusts verdeutlichen: in der Treusatzung des Treuunternehmens kann festgelegt werden, ob das Unternehmen eine eigene Rechtspersönlichkeit als juristische Person hat oder nicht. Wird keine Regelung getroffen, so wird nach Art. 932 § 2 Abs. 3 des Personen- und Gesellschaftsrechtes (PGR) von Liechtenstein unwiderleglich vermutet, dass das Unternehmen keine Rechtspersönlichkeit hat. Dies deckt sich mit dem englisch-rechtlichen Grundkonzept des Trusts: Ein Trust ist ein Vermögensverwaltungsverhältnis, kein verselbstständigtes Vermögen mit Rechtspersönlichkeit wie eine Stiftung. Wird dem Treuunternehmen Rechtspersönlichkeit verliehen, ist es eher mit einer Stiftung vergleichbar, da das Trustvermögen keine Gesellschafter hat, d.h. mit Rechtspersönlichkeit wäre es auch eine verselbstständigte Vermögensmasse.

Der Trust ist also ein Sondervermögen, das von einer natürlichen oder juristischen Person (Grantor oder Settlor bzw. Treugeber) vom eigenen Vermögen dahingehend abgetrennt wird, dass

    1. der Settlor nicht mehr persönlich über das Vermögen verfügen kann,
    2. der Settlor das Vermögen nicht mehr persönlich verwaltet.

Der Settlor erstellt eine Trusturkunde. Diese kann auch so gestaltet werden, dass sie von Todes wegen gilt. In dieser wird ein Trustee (Treuhänder) eingesetzt, der das Vermögen verwaltet. Was dies konkret bedeutet, hängt vom in der Urkunde definierten Zweck des Trusts ab (Parallele zur Stiftung). Das Trustvermögen bleibt zu jedem Zeitpunkt Sondervermögen und gehört niemals dem Settlor oder Trustee. Das Vermögen kann, sofern dies in der Urkunde vorgesehen ist, an natürliche oder juristische Personen fließen, die nicht Settlor oder Trustee sind. Diese werden als Beneficiary oder Begünstigte des Trusts bezeichnet. Gängig ist auch die Bestellung eines Protectors, der den Trustee im Hinblick darauf überwacht, ob dieser sich an seine Pflichten aus der Trusturkunde hält. Ob ein Trust für den Settlor widerruflich ist oder nicht, hängt von der konkret anwendbaren Rechtsordnung und, wenn prinzipiell zulässig, von der Trusturkunde ab.

Steuerliche Behandlung

Trustvermögen unterliegt in Deutschland der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer nach dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG). Sie fallen nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unter den Begriff der Zuwendungen unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Dies hat gegenüber einer Behandlung als Stiftung den Vorteil, dass sie nicht im Dreißig-Jahres-Turnus der Erbersatzsteuer nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen. Leistungen an den Beneficiary eines Trusts stellen auf dessen Seite nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 einen Erwerb im Sinne von § 10 ErbStG dar und sind somit steuerbar.

Steuerpflichtig sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG alle natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland (Prinzip der Residenzbesteuerung, das auch im Einkommenssteuerrecht gilt). Deutsche Staatsbürger bleiben nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch fünf Jahre nach Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichem Aufenthaltes im Inland schenkungssteuerpflichtig.

Maßgeblich für die Entstehung der Steuerschuld ist der Zeitpunkt des Erwerbs. Unter dem Erwerb im Sinne des ErbStG ist die unentgeltliche Bereicherung zu verstehen. Bereicherung wiederum bezeichnet jeden Vermögenszuwachs. Das bedeutet, dass nicht nur Eigentum an Sachen, sondern auch an Forderungen erfasst ist. Eine Forderung ist in jedem Falle dann Teil des Vermögens, wenn sie fällig, ergo: durchsetzbar ist. Im Erbschaftssteuerrecht wird üblicherweise auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung, nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung abgestellt. Dies geht aus § 9 ErbStG hervor: Beim Erbfall ist grundsätzlich bereits der Todeszeitpunkt maßgeblich. Bei der Zuwendung unter Lebenden, die hier einschlägig ist, ist die Ausführung der Zuwendung maßgeblich. Dieser Begriff ist weniger eindeutig, lässt sich allerdings anhand der Wertungen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Erbfall auslegen. Die Unterscheidung dieser Zeitpunkte ist aus zweierlei Gründen entscheidend:

Zum einen kann sich das Vermögen nach Erwerb, aber vor tatsächlicher Erlangung steigern oder verringern. Beispiel: ein unversichertes Haus brennt nach dem Tod des Eigentümers ab, bevor der Grundbucheintrag zugunsten des Erben erstellt wurde (Zeitpunkt des Eigentumserwerbs entsprechend § 873 BGB); ein vererbtes Aktiendepot gewinnt durch eine günstige wirtschaftliche Phase kurz nach dem Erbfall vor Übertragung erheblich an Wert.

Zum anderen kann, wie im vorliegenden Fall, zwischen Erwerb und tatsächlichem Leistungsempfang die Steuerpflicht begründet werden oder erlöschen, durch Wohnsitznahme im Inland oder Wegzug ins Ausland.

Begründung des BFH

Zuletzt gilt es noch zu ergründen, warum der Erwerb nach Auffassung des BFH bereits mit Auflösung des Trusts eingetreten ist. Der Kläger hatte zu Recht vorgebracht, dass seine Ansprüche mit dem Auflösungsbeschluss der Trustees nicht fällig geworden waren, da er erst dann Dispositionsbefugnis hinsichtlich der betreffenden Vermögenswerte hatte, als die Trustees 2009 separat die Auskehrung der Vermögensgegenstände beschlossen. Dies war in der Trusturkunde so festgelegt worden. Zudem stellt dies auch in Liquidationsverfahren nach deutschem Recht den Regelfall dar, wie etwa ein Blick auf §§ 48, 49 BGB betreffend die Liquidation von Vereinsvermögen zeigt. Auch im Verein existieren sogenannte Anfallberechtigte, an die das Vermögen des liquidierten Vereins am Ende des Liquidationsverfahrens ausgekehrt wird. Die Ansprüche der Anfallberechtigten werden allerdings nicht vor diesem Zeitpunkt fällig; es ist daher diskutabel, ob sie wertmäßig dem Vermögen zugerechnet werden können.

Der BFH verwies in seiner Urteilsbegründung im Wesentlichen auf zwei vorhergehende Urteile vom 03.07.2019 (Az. II R 6/16) und vom 27.09.2021 (Az. II R 45/10) sowie auf § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Maßgeblich ist bei der Auflösung eines Trusts der Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses, der den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung markiert. Es ist dabei unerheblich, ob aufgrund von Spezifika der Trusturkunde die Fälligkeit der Ansprüche der Beneficiaries eingeschränkt ist. Entscheidend ist dem BFH zufolge die Dauer der spezifischen Vermögensbindung. Ein Trust bindet Vermögen, allerdings nur solange er besteht. Liquidationsverfahren sind im deutschen Recht grundsätzlich gesetzlich geregelt und lassen prinzipiell wenig Spielraum zur satzungsmäßigen Ausgestaltung. Dies müsse auch für anerkannte ausländische Gesellschaften und Vermögensmassen gelten. In der Konsequenz heißt das: Die Vermögensbindung im Trust erlischt sofort mit seiner Auflösung, die Liquidation erfolgt von Gesetzes wegen. Das Trustvermögen gilt ab diesem Zeitpunkt als zugewendet. Der BFH wies auf BT-Drucks. 14/23, Seite 200 hin. Mit der Aufnahme des Trusts ins ErbStG (quasi-ausdrücklich etwa in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) sei gerade bezweckt worden, diesen in die reguläre Ordnung des ErbStG zu überführen und keinen Raum für satzungsmäßige Gestaltungen zu lassen, die in der deutschen Rechtsordnung nicht möglich wären. Insofern gilt die Zuwendung in dem Moment als ausgeführt, in dem die spezifische Vermögensbindung durch die Trusturkunde erlischt. Diese erlischt mit dem Auflösungsbeschluss.

Fazit

Die Vermögensmasse, die einem in Deutschland steuerpflichtigen Beneficiary aus einem Trust zusteht, gilt in dem Moment als zugewendet, in dem der Trust per Beschluss wirksam aufgelöst wird. Satzungsmäßige Modifikationen des Liquidationsverfahrens, wie sie in vielen Common Law-Rechtsordnungen üblich sind, sind unbeachtlich. Die Steuerschuld entsteht, wenn zum Zeitpunkt der Auflösung eine inländische Steuerpflicht des Beneficiary besteht, in der entsprechenden Höhe nach den Sätzen des ErbStG. Für eine privatautonome Gestaltung der Zuwendung bleibt kein Raum.