Bundesregierung: Entwurf zur Neuregelung der Restschuldbefreiung

Voraussichtlich wird sich in Zukunft die Restschuldbefreiung nach einer Insolvenz erheblich erleichtern. Der Bundestag hat sich am 09.09.2020 erstmals mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Neuregelung des Restschuldbefreiungsverfahrens im Insolvenzrecht befasst.

Zum Restschuldbefreiungsverfahren

Nach dem Ende des Insolvenzverfahrens bleiben die offenen Gläubigerforderungen nach § 201 InsO grundsätzlich bestehen. Um diesen Forderungen nicht mehr ausgesetzt zu sein, kann der Schuldner eine Restschuldbefreiung beantragen. Der Antrag leitet ein neues Verfahren ein, über das das Insolvenzgericht nach § 287a InsO per Beschluss entscheidet. Gibt das Gericht dem Antrag statt, treffen den Schuldner in der Folge die Obliegenheiten nach § 295 InsO, insbesondere muss er im zumutbaren Rahmen erwerbstätig sein und alle Einkünfte, die über sein Existenzminimum hinausgehen, zur Befriedigung von Gläubigerforderungen an einen gerichtlich bestimmten Treuhänder abtreten (dieser ersetzt praktisch den Insolvenzverwalter im Restschuldbefreiungsverfahren). Diese Obliegenheit gilt nach § 287 Abs. 2 InsO für sechs Jahre (sogenannte Abtretungsfrist). Am Ende dieses Verfahrens steht der Erlass der verbleibenden Schulden nach § 286 InsO, wenn er seine Pflichten nach § 295 InsO erfüllt hat. Alternativ zum gesetzlichen Verfahren kann er sich mit seinen Gläubigern auf einen Insolvenzplan einigen, der quasi einen Vergleich darstellt und in dem die Bedingungen niedergelegt werden, unter denen die Gläubiger sich zum Restschulderlass verpflichten.

Das Restschuldbefreiungsverfahren dient dem Ausgleich zwischen einem Schuldnerinteresse an der Rehabilitation nach der Insolvenz und dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst vollständigen Bedienung ihrer Forderungen. Zudem soll es einer Schlechterstellung natürlicher Personen gegenüber z.B. Kapitalgesellschaften vorbeugen. Da diese im Insolvenzfall mit dem Ende des Insolvenzverfahrens aus dem Handelsregister gelöscht werden und somit rechtlich aufhören zu existieren, ist ihnen eine faktische Restschuldbefreiung möglich. Dementsprechend soll es diese Möglichkeit auch für natürliche Personen geben.

Problemstellung und Zielsetzung

Der Gesetzesentwurf dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1023, die im Hinblick auf die Restschuldbefreiung die alte Richtlinie 2017/1132 über Restrukturierung und Insolvenz ändert. Die Richtlinie sieht vor, dass insolventen Unternehmern die Möglichkeit einer vollen Entschuldung nach drei Jahren offenstehen muss. Dies ist nach der aktuellen Rechtslage (präziser: §§ 287, 300 InsO) nur unter engen Beschränkungen möglich. Unter anderem verlangt eine Entschuldung nach drei Jahren eine Bedienung der Insolvenzforderungen in Höhe von 35 %. Dies wird den Anforderungen der Richtlinie nicht gerecht.

Inhalt des Gesetzentwurfes

Der Gesetzentwurf fasst im Wesentlichen § 287 Abs. 2 InsO neu und verkürzt die Abtretungsfrist auf drei Jahre. § 300 InsO wird entsprechend angepasst. Die zusätzlichen Kriterien, die bisher für ein Verfahrensende nach drei Jahren erforderlich waren, entfallen.

Nach § 312 InsO gilt dies nur für Schuldner, die eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. In anderen Fällen gilt nach § 312 Abs. 2 bis 6 InsO im Wesentlichen die alte Rechtslage (vgl. BT-Drs. 19/21981, S. 9)[1]. § 312 InsO soll allerdings erst 2025 in Kraft treten, bis dahin steht das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren auch Verbrauchern offen. Dies dient der Evaluation, ob die neue Regelung des Verfahrens auch für Verbraucher sinnvoll ist. Da Verbraucher nicht von der EU-RL 2019/1023 erfasst sind, ist diese Befristung möglich.

Zudem wird § 301 InsO um einen Abs. 4 erweitert. Diesem zufolge sollen Tätigkeits- und Gewerbeverbote, die dem Schuldner im Zuge der Insolvenz auferlegt wurden, nach dem Fristablauf und dem gesetzlichen Verfahrensende automatisch außer Kraft treten.

Fazit

Der Gesetzentwurf dürfte unproblematisch den aktuellen Vorgaben des Europarechtes entsprechen. Ein gewisser Vorbehalt des Gesetzgebers hinsichtlich der erwünschten Wirkungen der Änderungen ist an der Befristung der Gültigkeit für Verbraucher erkennbar. Für Unternehmer stellt die entsprechende Richtlinie die dauerhafte Geltung allerdings sicher.


[1] Die Bundestags-Drucksache 19/21981 enthält den entsprechenden Gesetzentwurf: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/219/1921981.pdf, zuletzt abgerufen am 20.10.2020.