Schadensersatz und Versicherungsleistungen bei Betriebsschließung wegen des Coronavirus (2/2)

Wirtschaftliche Schäden am eigenen Betrieb sind und bleiben ein erhebliches Problem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Unternehmensrecht Aktuell hatte in diesem Zusammenhang bereits auf zwei Urteile des LG München I hingewiesen. In diesem Beitrag soll es weiterhin um Fragen rund um die Betriebsschließung wegen des Coronavirus gehen.

Dabei geht es um ein weiteres Urteil des LG München I vom 22.10.2020 in einem Streitfall zwischen einer Unternehmerin und ihrer Versicherung, sowie um ein Urteil des LG Hannover vom 09.07.2020 in einem Amtshaftungsprozess gegen das Land Niedersachsen.

LG München I 12 O 5868/20

Mit dem Urteil gab das LG der Klage einer Gaststättenbetreiberin gegen ihre Betriebsschließungsversicherung statt. Die Versicherung wurde zur Zahlung von rund 430.000 € aus einem Versicherungsvertrag verurteilt. Die Summe setzte sich aus vertraglich vereinbarten Tagesentschädigungen in varibaler Höhe (saisonabhängig) zusammen.

Wie in LG München I 12 O 5859/20 war die streitentscheidende Frage, ob eine Betriebsschließung wegen Covid-19 vom Versicherungsvertrag abgedeckt war. Schließungsgrund war dieselbe Verordnung des bayrischen Gesundheitsministeriums. Der Versicherungsvertrag verwies ebenfalls auf §§ 6, 7 IfSG. Die Fälle unterschieden sich in dem Punkt, dass die Beklagte Corona mittels Verlautbarung auf ihrer Website als Grund für einen Versicherungsfall anerkannte. Dies tat sie allerdings unter der Bedingung, dass ein Krankheitsfall im Betrieb aufgetreten sei und dieser daher (individuell) behördlich geschlossen würde.

Die beklagte Versicherung führte zudem an, die Klägerin trage Mitschuld am zu ersetzenden Verdienstausfall. Die Klägerin habe zumutbare Möglichkeiten, den Betrieb wiederaufzunehmen (Außerhausverkauf) nicht wahrgenommen. Außerdem habe sie im Rahmen ihrer Obliegenheit des Versuchs der Schadensabwendung nach § 82 VVG auch gegen die Verfügung verwaltungsgerichtlich vorgehen müssen.

Diese Einwände griffen beide nicht. Das LG stellte fest, dass die Schadensminderungsobliegenheit nur gegriffen hätte, wäre der Betrieb der Klägerin auf Außerhausverkauf angelegt gewesen. Eine Änderung der Betriebsform kann nicht verlangt werden. Das verwaltungsgerichtliche Vorgehen obliege der Klägerin nur dann, wenn es ernstliche Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Dies war nicht der Fall.

Die Versicherung kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie Schadensfälle wegen Corona nur bedingt anerkannt habe. Dies sei im Versicherungsvertrag nicht vorgesehen gewesen. Es gab demnach auch keine Anhaltspunkte für eine solche Beschränkung. Corona sei vom ursprünglichen Vertrag erfasst gewesen. Ein Verweis auf das IfSG könne bereits deswegen keine abschließende Aufzählung festlegen, weil sich der Versicherungsumfang mittels des Vertrages allein bestimmen lassen müsste. Nimmt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nur den Vertrag zur Hand, geht er davon aus, dass eine Betriebsschließung wegen des Coronavirus miterfasst sei. Diese Annahme lässt sich auch auf den Zweck eines Versicherungsvertrages im Hinblick auf Pandemien stützen. Betriebsschließungen wegen Pandemien treten typischerweise unerwartet und häufig aufgrund unbekannter Erreger auf. Dem Vertragszweck nach ist eine abschließende Auflistung der erfassten Erreger eher fernliegend. Daher bedürfte vielmehr diese Variante des Vertrages einer ausdrücklichen Vereinbarung, üblicherweise kann mit einer nicht abschließenden Aufzählung gerechnet werden.

LG Hannover 8 O 2/20

Über einen weiteren interessanten, wenngleich thematisch nur bedingt verwandten Fall hat das LG Hannover geurteilt. Ein Restaurantbetreiber hatte das Land Niedersachsen wegen der Schließung seines Betriebes mittels einer auf §§ 32, 28 IfSG gestützten Allgemeinverfügung auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Geprüft hatte es im Wesentlichen drei in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen.

Die erste Anspruchsgrundlage, auf die der Kläger sich berief, war § 56 IfSG. Der Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls erfasst allerdings

„Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder […] sonstige[r] Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2.

Diese Begriffe sind in § 2 IfSG eingehender definiert. Sie erfassen jedenfalls nur Personen, die selbst potentiell infiziert sind und damit das Risiko schaffen, die Krankheit weiter zu verbreiten. Geregelt sind, wie das LG ausführte, gerade nur individuelle und keine kollektiven Entschädigungen aufgrund einer Allgemeinverfügung zu Infektionsschutzzwecken. Eine solche allgemeine Entschädigung wäre häufig gar nicht mit der Leistungsfähigkeit des Staatshaushaltes vereinbar und entspricht daher auch nicht dem gesetzgeberischen Willen. Bei Betriebsschließungen kommen Ansprüche aus dem IfSG für den Inhaber des Betriebes also bereits deswegen nicht in Betracht, weil er nicht zum berechtigten Personenkreis gehört.

Entschädigung nach Ordnungsrecht und allgemeiner Amtshaftung

Der Kläger berief sich zudem auf § 80 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG). Dieser regelt allgemein die Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche wegen ordnungsbehördlichen Handelns. Er ist allerdings nur in Materien anwendbar, in denen der Schadensersatz nicht abschließend spezialgesetzlich geregelt ist. Ansonsten würden die eigenen Anforderungen der spezifischeren Anspruchsgrundlage unterlaufen. Im Bereich des Seuchenschutzes, stellte das LG fest, trifft das IfSG abschließende Regelungen zum Schadensersatz.

In der Begründung wird zudem auf ein Urteil des LG Heilbronn vom 29.04.2020 (Az. I 4 O 82/20) verwiesen, in dem diese Frage bereits genauso beurteilt worden war. Auch hier wurde das Baden-Württemberger Polizei- und Ordnungsrecht mit seinen gegenüber dem IfSG unspezifischeren Anspruchgrundlagen für nicht einschlägig erklärt.

Das LG lehnte auch einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB ab. Dieser Anspruch wäre in zwei Konstellationen denkbar:

  1. Bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln
  2. Bei einem enteignungsgleichen Eingriff

Die erste Konstellation ist hier nicht ersichtlich. Das Land müsste dem Betriebsinhaber den Schaden ersetzen, der ihm aus einer rechtswidrigen Verfügung entsteht. Die Allgemeinverfügung nach §§ 32, 28 IfSG, die dem Betrieber die Betriebsschließung wegen des Coronavirus aufgab, war nach Auffassung des Gerichtes allerdings rechtmäßig.

Betriebsschließung als enteignungsgleicher Eingriff?

Von der Rechtmäßigkeit der Verfügung unberührt bleibt der Anspruch wegen eines enteignungsgleichen Eingriffes. Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2, 3 GG muss auch bei einer rechtmäßigen Enteignung eine Entschädigung gewährt werden. Beim enteignungsgleichen Eingriff handelt es sich um behördliches Handeln, dass zwar keine Enteignung im streng terminologischen Sinne darstellt, das allerdings faktisch das Eigentum genau so schwer wie eine solche beeinträchtigt. Wegen der faktisch gleichen Auswirkungen und des gleichen Rechtsschutzinteresses des Adressaten kann bei einem solchen Eingriff nichts anderes gelten als bei einer Enteignung.

Auch wenn die Verfügung rechtmäßig ist, kommt ein Entschädigungsanspruch also dann in Betracht, wenn die Verfügung einen enteignungsgleichen Eingriff darstellt. Das LG verwies hierzu auf die Rechtsprechung des BGH, der es Folgendes entnahm:

[…] dass das […] Rechtsinstitut […] nur auf einzelfallbezogene Eigentumsbeeinträchtigungen angewandt werden könne und keine geeignete Grundlage sei, um massenhaft auftretende Schäden auszugleichen. Denn die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für massenhaft aufgetretene Eigentumsbeschränkungen könnte weitreichende Folgen für die Staatsfinanzen haben, was nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers vorzubehalten sei.

Auch hier zeigt sich wieder die Wertung, die die gesamte Streitfrage nach Schadensersatz durch die öffentliche Hand prägt: die Amtshaftungstatbestände sind auf individuelle, nicht auf kollektive Schäden ausgelegt. Eine Betriebsschließung wegen des Coronavirus, die in aller Regel durch eine Allgemeinverfügung angeordnet wird, wird insofern regelmäßig nicht diesen Fallgruppen zuzuordnen sein.

Fazit

Die Urteile bieten einige Anhaltspunkte, um die eigene rechtliche Situation im Hinblick auf eine Betriebsschließung wegen des Coronavirus einschätzen zu können. Ansprüche gegen den Staat werden jedenfalls regelmäßig nicht einschlägig sein. Aus der Urteilsbegründung des LG Hannover lässt sich herleiten, dass der Anspruch wegen Amtshaftung nicht nur im Einzelfall gehindert war, sondern für vergleichbare Fallgruppen generell nicht in Betracht kommt. Dies hängt damit zusammen, dass das IfSG Schadensersatzansprüche wegen Seuchenschutzmaßnahmen abschließend regelt und daher nur in den darin aufgeführten Fallgruppen ein Anspruch begründet sein kann. Zudem knüpfen die grundlegenden Wertungen der Amtshaftung an einzelne, nicht an kollektive Schadensfälle an.