BGH: Zulässigkeit eines Vertragsgenerators

Rechtsdienstleistungen sind nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. In Einzelfällen ist die Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger Rechtsdienstleistung und einer allgemeinen Dienstleistung mit lediglich rechtlichem Bezug schwierig, insbesondere weil schon das RDG selbst hier Ausnahmen formuliert. Angebote, die sich an der Grenze bewegen, sind nicht selten Gegenstand rechtlicher Streitigkeiten. So auch im vorliegenden Fall.

Sachverhalt

Klägerin im Hauptsachverfahren war eine Rechtsanwaltskammer, Beklagte ein juristischer Fachverlag. Die Beklagte hatte auf einer Internetseite einen Vertragsgenerator angeboten, mit dessen Hilfe Nutzer mittels einiger Eingaben ein Vertragsmuster erzeugen und es gegen Entgelt erwerben konnten. Die Klägerin betrachtete dies als unzulässige Rechtsdienstleistung und verlangte von der Beklagten, das Angebot zu unterlassen. Ihre Klage stützte sie auf §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 3 RDG. Die §§ 8, 3, 3a UWG begründen einen Unterlassungsanspruch beim Verstoß gegen einschlägiges Wettbewerbsrecht. Nach Ansicht der Klägerin schützt das RDG also (zumindest auch) die anwaltliche Position im Rechtsdienstleistungsmarkt.

Die Klägerin hatte vor dem LG Köln Erfolg (Az. 33 O 35/19), das OLG Köln wies die Klage am 19.06.2020 (Az. 6 U 263/19) in zweiter Instanz zurück. Die Klägerin ging daraufhin in Revision. Der BGH hat am 26.08.2021 (Az. I 113/20) die Revision der Klägerin gegen das Urteil des OLG Köln  zurückgewiesen. Das Angebot ist damit als zulässig zu betrachten. Die Urteilsbegründung, insbesondere des OLG Köln, enthält einige interessante Erwägungen zur Auslegung des RDG.

Auslegung des RDG

Die streitentscheidende Frage war, ob mit dem Bereitstellen des Vertragsgenerators tatsächlich eine Rechtsdienstleistung erbracht wurde, für die die Beklagte eine gesonderte Erlaubnis gebraucht hätte.

Was eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung ist, richtet sich nach der Generalklausel § 2 Abs. 1 RDG. Der Begriff der Rechtsdienstleistung setzt die Tätigkeit in fremden Angelegenheiten unter Prüfung des Einzelfalls voraus. Tätigkeit wiederum ist per definitionem – grundsätzlich – menschliches Handeln.

Es kann mithin nicht darauf abgestellt werden, inwieweit der Vertragsgenerator die Vertragsangaben im Einzelfall prüft oder übernimmt. Eine Erweiterung des Tätigkeitsbegriffes auf Maschinen ist, wie das OLG klarstellte, nur bei einer komplexen künstlichen Intelligenz naheliegend, die über menschengleiche analytische, wertende und subsumierende Fähigkeiten verfügt. Das Abarbeiten eines Entscheidungsbaumes (nach einem ja/nein-Schema) stellt keine maschinelle Tätigkeit dar. Die Tätigkeit liegt mithin in der menschlichen Tätigkeit dahinter: dem Programmieren und Bereitstellen. Die Programmierung erfolgt allerdings abstrakt. Wer einen größeren Entscheidungsbaum programmiert, bearbeitet keinen juristischen Einzelfall:

Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entscheidungsbäume und Bereitstellen des streitgegenständlichen Programms führt mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit noch nicht in den Anwendungsbereich des RDG […].

Die Nutzung durch die Kunden der Beklagten selbst indes ist zwar eine Tätigkeit im Einzelfall, aber nicht in fremder Angelegenheit.

Hilfsweise kann man sich nun die Frage stellen, ob das RDG bei dieser Auslegung noch seinem Zweck gerecht wird. Hierbei ist allerdings beachtlich, dass das RDG nicht den Schutz des anwaltlichen Berufsstandes intendiert. Nur dies würde eine weite Auslegung des Rechtsdienstleistungsbegriffes rechtfertigen.

Die ständige Rechtsprechung des BGH wie auch des BVerfG geht dahin, das RDG an dieser Stelle restriktiv auszulegen. Das RDG bezweckt den Schutz von Verbrauchern vor Rechtsdienstleistungen minderer Qualität, nicht die umfassende Regulierung des Rechtsdienstleistungsmarktes. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig der BGH mit folgender Klarstellung zitiert:

Ziel des RDG – eine grundlegende Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen, die an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichtet ist, und die die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubt – gebietet im vorliegenden Fall eine ebenso eng am Schutzzweck ausgerichtete Interpretation des Begriffs der Rechtsdienstleistung […].

In diesem Urteil vom 27.11.2019 (Az. VIII ZR 285/18) formulierte der BGH Regeln zur Auslegung des RDG, die klar in Richtung Liberalisierung deuteten. Wie das OLG hervorhob, wird dies auch von der jüngeren Tendenz in der Gesetzgebung gestützt: Die kürzliche Reform des Rechtsdienstleistungsmarktes und des anwaltlichen Berufsrechtes verdeutlicht, dass Anwälte nicht durch das RDG geschützt werden sollen, sondern dass Stärkungen ihrer Marktposition in erster Linie durch eine flexiblere Gestaltung ihrer eigenen Rechtsdienstleistungen erfolgen sollen.

Die gebotene restriktive Auslegung des Rechtsdienstleistungsbegriffes im RDG sprach nach Ansicht des OLG und des BGH für die Zulässigkeit eines Vertragsgenerators.

Werbeaussagen nach § 5 UWG

Neben der Unzulässigkeit des Vertragsgenerators als solchem hatte die Rechtsanwaltskammer geltend gemacht, dass die Beklagte irreführende Werbeaussagen getroffen habe. Sie bezog sich dabei auf Deklarationen wie „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ oder „Günstiger und schneller als der Anwalt“. Dabei wies die Beklagte allerdings ausdrücklich daraufhin, dass sie nicht zu anwaltlicher Rechtsberatung befugt war.

Vor dem LG hatte die Klägerin zwei Gründe vorgebracht, aus denen die Aussagen irreführend seien:

  1. Sie suggerierten zu Unrecht die Rechtmäßigkeit der Rechtsdienstleistung
  2. Sie stellten eine unwahre Tatsachenbehauptung auf, indem sie eine Qualität versprachen, die stets der Qualität anwaltlicher Arbeit entspreche.

Der erste Grund ist dadurch nicht tragfähig, dass der Vertragsgenerator de facto zulässig ist und die Aussagen in diesem Punkt nicht irreführend sein können. Der zweite Grund wurde vom OLG nicht entschieden, da die Beklagte ihre Berufung in diesem Punkt zurückgezogen und das Unterlassungsurteil des LG Köln insoweit akzeptiert hat. Ob Werbeaussagen dieser Art zulässig sein könnten, bleibt also eine offene Frage.

Fazit

Das Urteil fügt sich in die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung ein. Das RDG dient nur dem Schutz der Rechtssuchenden, indem es die Qualität von Rechtsdienstleistungen sicherstellt. Bei einer übermäßigen Beschränkung des Angebots indes würde das Gesetz negativ auf die Rechtssuchenden zurückfallen. Zudem ist an dem Urteil bemerkenswert, dass Programmierung grundsätzlich keine Tätigkeit im Sinne des RDG darstellt, was Legal Tech-Unternehmen einen weiten Spielraum eröffnet. Ob indes der Vergleich mit dem Anwalt eine zulässige Werbeaussage ist, bleibt offen und dürfte vermutlich in Zukunft noch das ein oder andere Gericht beschäftigen.