BGH: Aufklärungspflicht beim Vertrieb von working interests als Kapitalanlage

Der Verstoß gegen Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Kapitalanlagen kann nicht nur zur Schadensersatzpflicht gegenüber dem Anleger führen, sondern sogar nach § 264a StGB strafbar sein. Der BGH hat sich in einem Urteil vom 13.08.2020, Az. III ZR 148/19, mit der Aufklärungspflicht hinsichtlich interner Vertriebsprovisionen bei Kapitalanlagen befasst.

Sachverhalt

Der Beklagte im Hauptsacheverfahren vor dem LG Hamburg war Gründungsgesellschafter und Vertriebsverantwortlicher einer Gesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaates Texas, die als Kapitalanlage den Erwerb von Anteilen an Erdöl- und Erdgasförderrechten (working interests) anbot. Die Anleger sollten dabei als Operator agieren, also selbst mit für die Geschäftsführung (Durchführung von Bohrungen, Analysen, Management des Fördergeschäftes) verantwortlich sein. (Anmerkung: Die Anwendbarkeit des deutschen Rechtes ergibt sich aus Art. 4 Abs. 2 der Rom-II-Verordnung, weil der Geschädigte hier seinen Wohnsitz hat und sein Vermögen verwaltet. Daher ist der Schaden im Anwendungsbereich des deutschen Rechtes eingetreten. Dies wurde im Urteil auch so festgestellt.)

Der Kläger hatte an den Förderrechten am 1./2.06.2010 Anteile im Wert von 21.000 US-$ zzgl. 5 % agio erworben und seine Einlage in Höhe von etwa 17.600 € bereits erbracht. Am 15.12.2015 erklärte er seinen Widerruf und nahm daraufhin zunächst die Gesellschaft, später dann den Vertriebsverantwortlichen auf Schadensersatz in Höhe seiner Einlage (abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen) Zug-um-Zug gegen Abtretung seiner erworbenen Anteile gerichtlich in Anspruch.

Zur Begründung führte er die Verletzung von Informationspflichten an, auf die er einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) stützte. Im Einzelnen führte er an:

  1. Die agio-Zahlung von 5 % habe bei ihm den Eindruck erwecken müssen, dass der Beklagte nur diese als Provision erhalte. Darüber, dass der Beklagte eine weitere Innenprovision von der Gesellschaft erhalten habe, hätte er aufgeklärt werden müssen, da dies auch die Höhe seines tatsächlich in den Geschäftsbetrieb investierten Kapitals beeinflusse.
  2. Er sei nicht im Einzelnen über die Rechte und Pflichten, speziell auch über das jederzeitige Rücktrittsrecht eines Operators aufgeklärt worden.

Entscheidung und Gründe

Die Klage wurde vom LG Hamburg zurückgewiesen (LG Hamburg 327 O 249/16). Berufung und Revision des Klägers hatten in keinem Punkt Erfolg, das erstinstanzliche Urteil blieb aufrechterhalten. Nach Auffassung des Gerichtes stellt § 264a StGB zwar ein Schutzgesetz dar, bei dessen Verletzung dem Opfer Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB zustehen können. Allerdings liege kein Kapitalanlagebetrug im Sinne von § 264a StGB vor. Der BGH griff die Begründung des erstinstanzlichen Urteils auf und führte selbst im Wesentlichen aus:

Über Vertriebsprovisionen im Innenverhältnis sei nur dann aufzuklären, wenn der Vertrieb über einen Prospekt erfolgt, da dieser ja gerade informierenden Charakter für sich in Anspruch nimmt. Allerdings müssen die Vertriebsprovisionen ungewöhnlich hoch sein, damit über sie aufgeklärt werden muss. Dies ist ab einer Höhe von 15 % der Fall, wie der BGH bereits am 19.10.2017, Az. III ZR 565/16, entschieden hatte. Mit einer darunter liegenden Provision könne der Käufer rechnen, da sie marktüblich sei. Außerdem sei die Höhe des unmittelbar in die Anlage geflossenen Kapitals dadurch nicht erheblich gemindert. Neben der agio erhielt der Beklagte weitere 6 % Provision, womit die 15 % unterschritten sind. Es bestand also keine Aufklärungspflicht.

Nach Auffassung des OLG wurde auch nicht gegen die Pflicht zur Aufklärung über die Pflichten eines Operators verstoßen. Im Kaufvertrag über die Anteile wurde ausdrücklich auf das Operating Agreement sowie über dessen Einsehbarkeit hingewiesen worden. In diesem ist eine hinreichende Aufklärung erfolgt. Da der Kläger auf diesen Hinweis hin gar keinen Versuch unternommen habe, sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren, könne dieses Vorgehen nicht zulasten des Verkäufers gehen.

Streitgegenständlich war unter anderem ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Erwerbers. Dieses ging aus dem Operating Agreement auch hervor: „Operator may resign at any time by giving written notice thereof to Non-Operators”. Der Beklagte bestritt dieses Recht zwar, was nach Auffassung des OLG nicht tragfähig war. Die Ausübung des Kündigungsrechtes war dem Kläger aber in jedem Fall verwehrt, da er sich in einem separaten Vertrag mit dem Verkäufer verpflichtet hatte, seine Stellung als Operator auszuüben. Daher kam es nicht darauf an, ob ihm das Kündigungsrecht tatsächlich zustand. Entscheidend war, dass er über die Reichweite seines Kündigungsrechtes hinreichende Informationen zur Verfügung gehabt hatte.

Einschlägigkeit der Prospekthaftung

Der Kläger hatte sich zudem auf die Prospekthaftung berufen, nach der ein Gesellschafter denjenigen, der ihm den Erwerb von Gesellschaftsanteilen vermittelt, wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten in Anspruch nehmen kann. Diese Haftung kann sich unter anderem schon aus prospektierten Angaben ergeben, etwa wenn diese Garantiecharakter (vgl. § 276 Abs. 1 BGB) haben. Zur Zeit des Anteilserwerbs des Klägers war das Verkaufsprospektgesetz noch in Kraft, das die Haftung für Prospektangaben, etwa über den Erwerb von Gesellschaftsanteilen, im Speziellen regelte. (vergleiche zur Prospekthaftung etwa BGH II ZR 172/76; BGH III ZR 359/02).

Der BGH stellte nun klar, dass der Erwerb von Anteilen an working interests wie Förderrechten nicht mit dem Erwerb einer Gesellschafterstellung gleichzusetzen ist. Das Operating Agreement stellt vielmehr einen Drittvertrag mit der Gesellschaft dar, der die Überlassung der Anteile an bestimmten working interests (und die hieraus entstehenden Gewinnbeteiligungsansprüche) als Gegenleistung für die Arbeit als Operator anbietet. Die Förderrechte sind Eigentum der Gesellschaft als solcher, sie kann also Anteile daran veräußern. Dadurch wird der Miteigentümer aber nicht Gesellschafter, was bereits daraus folgt, dass seine Einlage nur in die Ausübung des Förderrechtes und nicht in das Vermögen der Gesellschaft als solcher fließt.

Fazit

Aus der Zahlung einer agio beim Erwerb einer Kapitalanlage kann kein Rückschluss darauf gezogen werden, dass sich die Verkaufsprovision auf die Höhe der agio beschränke. Für die Aufklärungspflicht über die Vertriebsprovision gelten trotz der agio nur die allgemeinen Grundsätze. Zudem ist genau danach zu unterscheiden, welche Art von Kapitalanlage erworben wird, wenn man sich auf die Prospekthaftung berufen will, die gerade dem spezifischen Charakter von Gesellschaftsanteilen Rechnung tragen soll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.